Utopia 2050
ich mich an.«
»Sie finden eine Auswahl von Kleidungsstücken in dem Schrank dort, Mr. Ho«, sagte Rico. »Beabsichtigen Sie, die Insel innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden zu verlassen?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Danke. Ich werde das Personal entsprechend anweisen. Guten Morgen.« Er wandte sich zur Tür. Diesmal erwiderte er Alarics Blick. »Guten Morgen, Mr. Amundssen.«
»Al«, sagte Al.
»Guten Morgen, Al.«
»Morgen«, sagte Al, bevor er hinter Rico die Tür schloß. Er wandte sich an Et. »Allerdings ist fast Mittag.«
»Also Zeit, um etwas zu unternehmen.« Et ging zum Schrank und öffnete ihn. »Hast du die Insel bereits besichtigt? Wo kann man sich am besten mit einem Mädchen unterhalten?«
»Am Hang oberhalb vom Kai liegt eine Terrasse mit schöner Aussicht«, sagte Al. »Ich zeige sie dir.«
Fünfzehn Minuten später saß Et auf der mit Fliesen ausgelegten Terrasse in einem schmiedeeisernen, weiß gespritzten Sessel und hielt Ausschau über den grasbewachsenen Hang, der sich bis hinab zu dem kleinen Hafen erstreckte, den Al untertrieben als Kai bezeichnet hatte. Als Al mit Maea Tornoy erschien, stand er auf.
»Et, ich freue mich, dich wieder einmal zu sehen«, sagte sie. »Von Wallys Schicksal habe ich erst in der vergangenen Woche gehört. Hat ein Begräbnis stattgefunden?«
»Nein. Er liegt im kryogenischen Zustand. Man hat mir gesagt, ein Wiederbelebungsversuch sei recht aussichtslos, aber versuchen will ich's auf jeden Fall.«
»Es tut mir wirklich schrecklich leid.«
»Ja.« Et hatte nicht sofort mit ihr über Wally reden wollen. Die Sache mit Wally und ihr war durch die Ereignisse der letzten Tage in den Hintergrund gerückt, aber ihr Anblick rief sie ihm wieder deutlich in Erinnerung. Nach der verwirrenden Begegnung mit Cele Partner wirkte Maeas Anblick nicht eben atemberaubend – allerdings war Cele Partner eine nahezu unwirkliche Erscheinung. Auf ihre Weise war Maea durchaus schön. Sie besaß langes, kastanienbraunes Haar mit einer starken Rottönung. Sie war hochgewachsen, so groß wie Cele Partner, aber grobknochiger, so daß sie sich mit jener seltsam eckigen Anmut bewegte, die man manchmal bei gerade ausgewachsenen Mädchen oder Athletinnen beobachtete. Auf sonderbare Art schien sie weiblicher und greifbarer zu sein als Cele Partner, der ein Hauch des Okkulten anhaftete, als sei sie eine Gestalt, die aus einem Gemälde trat. »Vielleicht könnten wir später über Wally sprechen«, sagte Et, während sie sich setzten. »Gegenwärtig bin ich zu sehr davon beansprucht, mich damit abzufinden, daß ich jetzt ein R-Meister bin. Wenn du mir dabei helfen kannst, ich wüßte es sehr zu schätzen.«
»Natürlich«, erwiderte sie. »Was kann ich tun?«
»Mir etwas über dein Fachgebiet erzählen«, sagte er. »Ich weiß, daß die Temporal-Soziologie sich mit dem Entstehen menschlicher Institutionen befaßt und mit den Prozessen, die sie verändern. Aber du bist doch auf Voraussagen darüber spezialisiert, welche Veränderungen eintreten werden, wenn in einer Gemeinde oder einer Stadt eine bestimmte neue Tatsache oder Entwicklung sich auszuwirken beginnt, oder?«
»Das ist meine besondere Spezialität«, erteilte Maea Auskunft. »Eigentlich kann ein Temporal-Soziologe jedoch mit allen Aspekten der menschlichen Lebensverhältnisse beschäftigt werden. Darin ähnelt er dem Psychologen – die Berufsbezeichnung umfaßt so vieles, daß sie gar nichts mehr bedeutet. Oder nehmen wir an, jemand ist ein Techniker – das sagt nichts, wenn man nicht hinzufügt, was für ein Techniker er ist.«
»Nun gut«, meinte Et. »Was ich von dir möchte, ist eine rasche Untersuchung dessen, in welchem Maß das R 47 seit seiner Entdeckung, also ungefähr seit dem Jahre 2000, auf die allgemeine Entwicklung der Gesellschaft Einfluß genommen hat, und zwar sowohl in negativer wie auch in positiver Beziehung. Es genügt, wenn die Untersuchung so umfangreich ausfällt, daß ich sie an einem Tag studieren kann.«
»Das ist ohne weiteres machbar«, behauptete Maea. »Wie dein Sekretär sagt, befindet sich hier ein kompletter Bibliothekarischer Apparat. Ich kann ein Programm eingeben, daß dir einen Abriß der entsprechenden Einflüsse von damals bis zur Gegenwart liefern wird.« Sie sah ihn scharf an, im Blick eine wortlose Frage, dann stand sie auf. Er erhob sich ebenfalls.
»Sobald ich das Material eingesehen habe, unterhalten wir uns nochmals«, sagte er. »Ich hoffe, daß ich dich nicht
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