Utopia 2050
Anflug von Bewußtsein. Eines Morgens, als er Wally auf dem Grundstück begegnete, beging Et den Fehler, direkt in diese Augen zu blicken; danach konnte er sich nicht länger dazu überwinden, Wally überhaupt anzuschauen.
Sein Plan zur Erlangung der Null-null-Informationen war inzwischen vollständig. Nunmehr unterzogen er und Rico sich der Kunstfertigkeit eines MGW namens Cye Morecky, der ein paar Tage zuvor auf der Insel eingetroffen war und sich schon gleichfalls mit Wally beschäftigt hatte. Morecky arbeitete zwei Stunden lang. Er benutzte Knetmasse zur Gesichtsplastik und andere Hilfsmittel des Theaters und veränderte die beiden so, daß sie einander in solchem Maße ähnelten, um einen jeden zu verwirren, der sie bloß aus dem Gedächtnis hätte identifizieren sollen. Die beiden flogen mit Ets Atmosphären-Kreuzer nach Miami und stiegen dort auf eine Passagiermaschine nach New York um.
Zwei Stunden später drückte Et den Klingelknopf an der Bürotür des Museumsdirektors, der Zugang zum Null-null-Archiv besaß. Der Direktor öffnete. Er war mittleren Alters und machte trotz der Falten im Gesicht einen kräftigen Eindruck. »Was wünschen Sie?«
»Wir kommen aus Wien«, sagte Rico.
»Aha.« Der Direktor trat zurück, ließ die beiden herein und schloß die Tür. »Jedermann aus Wien ist mir besonders willkommen. Wer sind Sie?«
»Ich glaube, wir brauchen uns nicht auszuweisen, Mr. Tolicky«, sagte Rico. Ein winziger Stimmbandfilter veränderte seine Stimme völlig. »Wir haben das Kennwort gegeben, Sie die Bestätigung. Das genügt. Hier ist etwas für Sie.« Er brachte einen dicken, mit einem Siegel verschlossenen Umschlag zum Vorschein. »Diese Unterlagen sind fürs Archiv zu kopieren. Die Originale erhalten wir zurück.«
»So?« meinte Tolicky. Er sprach in das Mikrophon an seinem Handgelenk. »Kode Neuntausendneun...« Plötzlich verstummte er. Während des Sprechens hatte er das Siegel des Umschlags erbrochen, und in diesem Moment war eine fast unsichtbare Wolke vor Pulver ihm ins Gesicht geschossen. Er verharrte und stand, den aufgerissenen Umschlag in den Händen, ganz ruhig und bewegungslos. Hastig hob Et das Handgelenk des Direktors und schaltete das Armbandgerät ab. Er holte ein kleines, knopfähnliches Ding heraus, von dem eine Länge dünnen Drahtes abstand (jedenfalls sah es aus wie Draht), berührte damit den Knochen hinter Tolickys Ohr und begann zu sprechen. Ein Stimmbandfilter verlieh seiner Stimme jenen dunklen Klang, den Tolicky aus seinem Armband-Kommunikator zu hören gewohnt war.
»Tolicky? Hier spricht Sauvonne. Gehen Sie hinunter und kopieren Sie den Inhalt des Umschlags, wie's Ihnen gesagt worden ist. Das ist ein Befehl.«
Et schob sein Gerät zurück in die Tasche, holte dafür einen miniaturisierten Video-Transciever hervor und befestigte ihn an der Schulter von Tolickys Jacke. Ricos Blick ruhte auf seinem Armband-Chronometer. Auf dessen winzigen Bildschirm erschien eine Wiedergabe des Büros. Genau vierzig Sekunden, nachdem das Pulver ihn betäubt hatte, rührte sich Tolicky, blinzelte und wandte sich wortlos zu der Wand hinter ihm. Auf einen Knopfdruck glitt die Wand beiseite und enthüllte eine altertümlich wirkende Stahlpforte. Tolicky schob seinen rechten Daumen ins Schlüsselloch und sagte: »Tolicky. Öffnen.« Die Pforte tat sich auf. Der Direktor trat hindurch, worauf sie sich schloß. Et und Rico hielten ihn auf Ricos Chronometer-Bildschirm unter Beobachtung. Für eine Weile war das Bild verwackelt; dann öffnete sich vor Tolicky eine andere Stahlpforte. Er verließ den Lift und befand sich nun siebzig Meter unterhalb seines Büros. Der Raum, den er aufsuchte, war klein, aber hell erleuchtet. An einer Wand erhob sich eine Reihe von Aktenschränken mit zahllosen kleinen Schubladen. Tolicky blieb stehen und entnahm dem Umschlag ein dickes Bündel Unterlagen aus unzerstörbarer Plastikfolie, mit Klammern zu einem Schriftsatz zusammengefügt; obenauf befand sich ein Auftragsvordruck von mehreren Seiten Umfang. Tolicky studierte das Formular. Für eine Sekunde haftete sein Blick auf der Unterschrift, vorschriftsmäßig und an richtiger Stelle auf die letzte Seite gesetzt. Schließlich trat er an einen Antigrav-Tisch, in den eine Apparatur eingebaut war, von der man äußerlich nur etwas sah, das wie eine flache Milchglasscheibe wirkte. Er schlug die Seite mit der Unterschrift auf, legte sie auf die gläserne Platte und beließ sie für einen Moment dort. Plötzlich
Weitere Kostenlose Bücher