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Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Illig
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schafften die Automaten der Arbeit ohne Eingriff der Hand, bis die Brotschnitten in kleinen Körben auf den Speisetafeln erschienen. Die unterirdischen Transportzüge koppelten selbsttätig je einen Waggon vor dem Lagerkeller jeder Hausburg ab, Greifer entluden die Brote auf laufendes Band, Maschinen schnitten sie auf und sortierten sie in die Körbe. Der Fahrstuhl hißte sie in den Speiseraum.
    »Bei diesem Betrieb«, sagte ich zu einem Genossen, der mich durch eine automatische Glasbläserei führte, »begreife ich nicht, daß auf jedes Mitglied der Genossenschaft vier Arbeitsstunden entfallen. Für Millionen, scheint mir, bleibt überhaupt nichts zu tun übrig.«
    »Du siehst hier nur die Ergebnisse der Konstruktionen, die bis ins Letzte durchdacht und praktisch erprobt sind«, erklärte er. »Bis man zu ihnen kommt, das erfordert mehr Kopf- und Handarbeit, als du ahnst.« Auf dem Lagerplan der Arbeitsstadt bezeichnete er mir einen großen Komplex von Gebäuden, die ich noch nicht besucht hatte.
    Ich fuhr hinaus nach den Versuchswerkstätten. Da war Leben! Große technische Büros mit gewaltigen Zeichentischen, aus denen man unmittelbar in weite Hallen trat, in denen Werkzeugmaschinen aller Art ihre Dienste anboten. Hier kannte man noch Schraubstock und Feile und den Zugriff der Hand.
    Der Konstrukteur und kühne Planer unterschied sich hier nicht vom Arbeiter, der den Fräshobel einstellte. Keiner hatte vor dem anderen »Bildung« voraus oder ein Privatinteresse, das ihn zwang, Abstand zu halten, damit das Vorrecht der Kaste gewahrt bleibe. Die unterschiedlosen Voraussetzungen der Ausbildung für alle schufen ganz andere Formen des Zusammenwirkens. In Werkversammlungen wurden die technischen Ziele der betreffenden Versuchsabteilung durchgesprochen. Genossen, die sich im konstruktiven Entwerfen besonders bewährt hatten, erläuterten ihre Ideen an großen Projektionsbildern und gaben die mathematischen Unterlagen, die jeder verstand. Natürlich durfte auch jeder andere einen eigenen Plan zur Diskussion stellen. Häufig genug überraschten ganz junge Genossen, die eben erst in die Abteilung eingetreten waren, durch kühne und treffende Lösungen. An den Werkversammlungen nahmen Abordnungen aus den jugendlichen Lehrgemeinschaften teil. Sie verarbeiteten dann in ihren Heimen die Ergebnisse der Aussprache. Auf diese Weise durchdrangen Theorie und Praxis einander.
    Ich durchwanderte die riesigen Hallen der Produktionsabteilungen, in denen die Maschinenautomaten für die Serienfabrikation eingerichtet wurden. Weder geistige noch körperliche Energie wurde hier an modische Massenware vergeudet, die bei uns mit dem Hintergedanken erzeugt wird, daß sie möglichst bald veralte und den Bedarf künstlich auftreibe.
    Sehr beliebt war die Arbeit in Landwirtschaft und Gärtnerei. In breitem Gürtel um die Stadt zogen sich die Anbauflächen der Genossenschaftsgüter. Unter dem Einfluß von elektrischen Kurzwellenstrahlern, die sich über die Äcker verteilten, und künstlichem Regen, den man durch elektrisches Spaltungsverfahren aus der Luft zog, so oft man ihn brauchte, erzielte man zwei- und dreifache Ernten. Hier wie überall verrichtete den Kuhdienst die Maschine.
    Noch monatelang könnte ich euch von den Wundern in und um Utopolis erzählen, aber ich denke, ihr wollt weiterhören, was ich in Jolls Auftrag unternahm.
     
    Gleich nach der Ankunft hatte ich mich bei Tirwa gemeldet. Er wohnte im Turm, wo alle Verwaltungskörper des Landes und der Stadt zentralisiert waren. Tirwa war ein ernster Mann, der nicht mehr Worte machte, als unbedingt nötig. Er reichte mir die Hand und nann te mich beim Namen, bevor ich noch den Mund öffnen konnte. Ich stotterte nur: »Joll hat dir wohl mitgeteilt, daß ich …«
    Tirwa schüttelte den Kopf. »Habe seit Tagen nicht mit Joll gesprochen.« Meine Bestürzung amüsierte ihn. Er ließ mich ein bißchen zappeln. »Hier«, sagte er end lich und klopfte mit der Hand auf eine Milchglasschei be neben seinem Arbeitsplatz, »da habe ich dich gesehen und gehört, als du Joll gegenübersaßest. Raum-Ferntelegraphie mit Geräuschübertragung … Joll hatte mich durch die Zentrale anschließen lassen.« Unheimlich. Bespitzelte man mich? Doch fiel mir rechtzeitig ein, daß es Spitzelei nur geben kann, wo Mißtrauen und Feindschaft zwischen den Menschen herrschen. Tirwa in das Gespräch einzuschließen, war ökonomisch, es ersparte Joll, dieselbe Sache zweimal zu sagen, und gar noch ein

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