Utopolis
Dach des Eden-Hotels. Ein Portier riß den Schlag der Kabine auf und salutierte stramm. Der Manager des Hotels eilte herbei, warf einen Blick auf die Livree meines »Dieners«, den ich Bob nannte, und fragte höflich: »Ich habe die Ehre, einen der Herren Grafen Zak …«
»Blöde Frage!« fuhr ich ihn an, »wohl Dreck in den Augen, was?«
Er lächelte verständnisvoll-verbindlich, verbeugte sich tief und bat, mir meine »Appartements« zeigen zu dürfen.
Man wies mir drei Räume an, die mit nutzlosen Kostbarkeiten überladen waren. Ein Schlafzimmer, über dessen dreischläfrigem Bett ein goldener Himmel mir Alpdrücken verursachte, einen Salon, der in Seide, Kristall und Gold rauschte, ein riesiger Baderaum mit den unglaublichsten Apparaten, deren Zweck ich nie ergründete. Das marmorgetäfelte Schwimmbassin machte mir allerdings Vergnügen.
Bob wurde in einem einfachen, sauberen Dienerzimmer untergebracht. Ich hätte gern mit ihm getauscht.
Die Hauptstraßen von »U-Privat«, durch die ich meinen ersten Spaziergang machte, hätten ebenso gut in New York, Berlin oder London liegen können.
Läden, mit allerlei Luxuskram vollgestopft, wechselten mit Kneipen, Bars und Cafés ab. Schreiende Reklamen verwirrten mich. Wahrhaftig, solches Theater wegen Rasierklingen oder Strumpfbandgürteln war ich nicht mehr gewöhnt. Ich wunderte mich, daß mir das früher nicht komisch erschienen war. Und gar abends! Gelbe, rote, blaue Lichter zappelten, rotierten und zuckten in Krämpfen über ganze Häuserfronten hin, zu dem einzigen Zweck, daß man seinen Schnaps dort an der Ecke und nicht gegenüber bei der Konkurrenz trank.
In den Straßen der Millionäre herrschte dagegen die sogenannte vornehme Ruhe. Ihre Paläste versuchten einander an stillosem Prunk zu übertrumpfen.
Die Garageneinfahrt eines der gewaltigen Betonklötze war eine genaue Nachbildung vom Hauptportal des Kölner Doms. Eine andere Villa schmückten vergoldete Zwiebelkuppeln. Sie sah aus wie eine russische Kirche ohne Unterleib. Es gab eine getreue Nachbildung des Dogenpalastes in Venedig. Den Vogel schoß ein mächtiges Bauwerk ab, das im Unterteil einem ungeheuren griechischen Tempel glich. Die riesenschäftigen Marmorsäulen trugen jedoch das vielgliederige Dach einer chinesischen Pagode. Daneben hielten sich andere Villen in kühlen Zweckmäßigkeitsformen reserviert zurück.
Überall spürte man den Drang, die kostbarsten Kulturwerke der alten Welt zu kopieren. Aber man verstand nicht, daß sie ohne Geschichte und eingeborene Landschaft sinnlos waren. Diese Straßen hinterließen den Eindruck eines Antiquitätenladens, der Kulturgüter als Ramschware verhandelt.
Ein einziges Gebäude erinnerte an die Wohnburgen der Arbeiterstadt. Es strebte in ähnlicher Terrassenform auf, vermied jeden ungemäßen Schmuck und lag weit von der Straße zurückgesetzt in einem parkartigen Garten. Wie der Stumpf einer Pyramide hob es sich aus dem lebendigen Grün, denn die Mauerseite, die es dem Beschauer hinbot, war glatt und stumm, ohne Fenster und Türen.
Später erfuhr ich, daß hier der hundertjährige Morgon wohnte. Er war der einzige, der unter den Arbeitern eine gewisse Popularität genoß. Bereits vor der großen Revolution kümmerte er sich in seinen Eisenwerken um soziale Fürsorge. Er ließ Kranken- und Altersheime bauen. Während der Umwälzung stellte er sich sofort auf den Boden der Tatsachen, trat seine Industrien »freiwillig« an den Staat ab und verhandelte kollegial mit den Räten. Ja, es ging sogar das Gerücht um, er habe damals geäußert, wenn er nicht schon so alt wäre, würde er als tätiges Mitglied in die Genossenschaft eintreten; er freue sich der neuen Zeit.
Seit vielen Jahren lebte er still in seiner Burg in »U-Privat«. Man hatte nie Schwierigkeiten von ihm zu erwarten, und wenn er sich, wie es für jeden Privaten Pflicht war, zur vierteljährlichen Musterung im Turm meldete – mehr schon ein klapperndes Gespenst, als ein Mensch –, empfing ihn der Zentralrat freundlich wie einen guten, alten Papa.
Man verschonte ihn auch mit »schweren« Ordensauszeichnungen und wohlklingenden Titeln. –
Ein Kolossalbau auf freiem Platz zog mich an. Über der goldenen Riesenkuppel leuchtete ein ungeheures Kreuz. Eine Kirche offenbar.
An Gigantisches schon gewöhnt, überraschten mich hier dennoch Formen, die in gar keinem Verhältnis mehr zu menschlichem Maß standen.
Durch die Tore hätten drei hochgeschraubte Feuerwehrleitern nebeneinander
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