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Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Illig
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Arbeiter mußte bluten.«
    Tirwa schloß die Augen, als wollte er die Bilder der Vergangenheit recht scharf und von innen her schauen. »Ja, es ist so weit«, murmelte er für sich und ich hörte aus dem Ton eine gewisse Hilflosigkeit.
    »Die anderen Genossen scheinen nichts zu fürch ten«, sagte ich nach einer Weile, »sonst hätte man sich doch in der Sitzung mit den Privaten befaßt …«
    »Hat man auch, ausschließlich sogar«, entgegnete Tirwa. »Aber man vermeidet Namen und direkte Hinweise. Wenn der Profitteufel marschieren will, schickt er Spitzel und Spione als Quartiermacher voraus. Unter uns geht das Gerücht um, sie wollten sich unterirdisch an den Turm heranbohren, um ihn zu sprengen. Daher die Anfragen nach den Erschütterungsmessern. Ich selber glaube nicht daran. Die Burschen sind viel raffinierter. Was nutzt es ihnen denn, wenn der Turm fällt? Im selben Augenblick würde sie die Wut der Arbeiterschaft zerstampfen. Was sie planen, ist bestimmt viel gefährlicher als ein Feuerwerk mit Knalleffekten, darauf kannst du dich verlassen. Die Verfassung, an der Noris hängt, gibt uns kein Recht, einzuschreiten, so lange wir nicht Bestimmtes wissen. Äußerlich ist ja alles in schönster Ordnung! …«
    Ich dachte an den Massenruf nach Joll. Er würde zupacken, jetzt schon, ohne sich auf das Gezeter der Pfeffersäcke einzulassen. Er war ja überhaupt der geschworene Feind dieser Mischpolitik, wie er es nannte.
    »Und nun zu dir«, sagte Tirwa, legte beide Hände auf meine Schulter, blickte mir forschend in die Augen und nickte befriedigt. »Du sollst mal auf einige Zeit Privater werden, bei den Privaten wohnen und dich an sie heranschlängeln – verstehst du, vielleicht hörst oder siehst du was … Die Bande zwingt uns ihre Methoden auf.«
    Ich erschrak. »Warum gerade ich?« sagte ich ziemlich kleinlaut.
    Tirwa lächelte. »Nimm’s mir nicht übel, Karl. Dein Gesicht hat einen verdammt europäischen Anstrich. Es sieht ein bißchen nach Hamster und goldgieriger Elster aus … Wenn wir dich richtig eingekleidet haben, wirst du ein famoser Dividenden-Onkel sein.« Er begütigte mich gleich. »Wir wissen ja, daß du das innerlich überwunden hast, aber die Fassade läßt nicht so rasch verwittern, was viele Geschlechter in sie eingekerbt haben. – Auf morgen früh also …« und er brachte mich zur Tür.
    Draußen stand ich verblüfft wie ein Kind, dem der Klapperstorch davonfliegt.
     
16
     
    Tirwa hatte alles vorzüglich vorbereitet. Ich empfing den üblichen Gehrock und eine Reihe von Orden (die schwersten ersparte man mir). Nachdem ich alles angelegt hatte und mich im großen Spiegel besah, stimmte ich in die Heiterkeit der anderen ein. Ich gab mir ein mürrisches und hochnäsiges Ansehen und war nun wirklich ein tadelloser »Privater«.
    Tirwa rieb sich vergnügt die Hände.
    Ich empfing einen ordnungsmäßigen Ausweis, der auf den Namen Raubgraf Zak zu Gummiklau lautete, und führte den Titel Sklavenschreck.
    Die Ausdrucksweise der Privaten lernte ich in viertelstündlichem Lehrschlaf.
    Das zahlreiche Geschlecht der »Gummiklaus« besaß an der Ostküste von Utopien Vorrechte auf Kautschuk handel. Sie verfrachteten ihre Ware über einige Ge heim depots an der Küste von Chile nach den amerikani schen Nordstaaten.
    »Als ›Gummiklau‹ hast du den Vorteil, viel über die alte Welt reden zu können«, belehrte mich Tirwa. »Außerdem ist dieses Geschlecht als besonders ruppig bekannt – etwa wie eure ostpreußischen Krautjunker. Du fällst also nicht aus der Rolle, wenn du Fragen, auf die du keine Antwort weißt, mit einer Grobheit abtust.« Ich erfuhr noch Einzelheiten über das Gebaren der Kautschukhändler. Auf einem Film führte man mir meine »Besitzungen« vor. So lernte ich die besonderen Lebensbedingungen an der Ostküste kennen. Die Organisation der Genossenschaft war dort am wenigsten ausgebaut und die Privaten genossen mehr Freiheiten als in den übrigen Verwaltungsgebieten.
    Zweck meines Aufenthaltes in Utopolis war Vergnügung. Die Ostküste besaß keine Großstädte.
    Ich erhielt ein eigenes Flugzeug. Der Genosse Flugzeugführer, der das Gefährt lenkte, wurde in eine Gummiklausche Livree gesteckt.
    Meine Brieftasche strotzte von Privatgeld. »Nur nicht durch Sparsamkeit auffallen!« war die oberste Mahnung, die mir Tirwa mit auf den Weg gab.
    Wir starteten nach Mitternacht, flogen weit nach Osten und hielten dann Kurs auf Utopolis-Privat.
    Am frühen Vormittag landeten wir auf dem

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