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Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Illig
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dem Turm und den Arbeitern, die freie Menschen sein wollen. Ich fühlte, wie mir eine Hand leicht über das Haar strich. Sehr wohl tat das. Eine leise Stimme flüsterte in mein Ohr: »Zakchen, kennst du mich nicht mehr?« Da wachte ich wieder auf. Von der Lehne des Sessels abwärts baumelten zwei schlanke Beine. Ich hob den Kopf und sah in zwei dunkle, feuchtglänzende Augen dicht vor mir. Das Licht hatten sie eingedreht, es war schummrig wie im Theater, bevor der Vorhang aufgeht. Wir waren ganz allein.
    Ihr mögt euch dabei denken, was ihr wollt, mir kam das in diesem Augenblick ganz natürlich und richtig vor, daß da ein junges und hübsches Frauenzimmer an meiner Seite saß und seinen kühlen Arm um meinen Nacken legte. »Was willst du denn von mir?« fragte ich müde und gähnte.
    Sie lachte herzhaft (Echos antworteten aus den dunklen Nischen), schnippte mir unter die Nase: »Aber Zakchen, du bist ja ganz verbauert im letzten Jahr was ich will …? Gott, bist du komisch …«
    Ich lachte mit, wahrhaftig, kam mir selber komisch vor. Ich stand auf, ein bißchen schwankend, sie hing sich an meinen Arm und wir fuhren nach oben.
    In meinen Zimmern wurde ich bei hellerer Beleuchtung ziemlich nüchtern. Das half mir aber gar nichts. »Wie reizend«, rief meine Begleiterin, »man hat dir dasselbe Appartement gegeben wie damals. Erinnerst du dich noch …?« Sie zeigte auf ein breites Liegesofa, auf dem sich seidene Kissen türmten und warf sich mitten hinein. Ebenso flink sprang sie wieder auf, huschte ans Telefon, bestellte Sekt und allerlei Leckereien, hob alles aus dem kleinen Speisenaufzug, deckte ein Tischchen und lud mich bei mir zu Gaste. Dabei plapperte sie unaufhörlich und ich erfuhr wenigstens aus ihrem eigenen Munde, daß sie Elvira hieß.
    »Ich bin ja sooo froh, daß ich dich gefunden habe, Zakchen«, seufzte sie, hing sich an meinen Hals und küßte mich. »Der Raubheinrich hat mich sitzen lassen, ganz gemein. Hättest du das von ihm gedacht?« Ich schüttelte düster den Kopf. »Na siehst du. Mit der Perlenkette ist das schofle Aas durchgegangen … schenkte sie mir erst und nimmt sie dann wieder mit.« Dicke Tränen tropften auf mein gestärktes Frackhemd nieder. »Aber Elvira«, würgte ich aus trockener Kehle. Was ging mich denn der Raubheinrich an.
    Sie schluchzte: »Du hast mich früher doch immer Elfchen genannt, das war sooo lieb …« Puh, mir wurde der steifleinene Kragen zu eng. Ich machte ihn ab.
    »Nun wird’s gemütlich!« Elvira klatschte in die Hände und zog sich mit dem roten Stift die Lippen nach. Ihre Zärtlichkeit wuchs bedrohlich. Sie setzte sich auf meinen Schoß, stieß mit mir an, futterte mich wie ein kleines Kind und ich hatte keine Kraft, mich zu wehren, denn ich war ja Zak von Gummiklau, und der liebte das wahrscheinlich. Mir war schon beinahe alles egal.
    »Zakchen«, flötete sie, »kaufst du mir ’ne Perlenket te, wenn ich recht nett zu dir bin?« … Kitzlige Sache. »Was kann so ’n Ding kosten?« warf ich hin, eine weltmännische Gebärde aus der Manschette schlenkernd. »Elfchen« rückte von mir ab und spitzte belei digt den Mund: »Seit wann fragst du denn nach Prei sen, Zak. Das bin ich von dir doch nicht gewöhnt!« Mit einem prüfenden Blick über die lackierten Fingernägel: »Kinderspiel für dich, mein Kleiner … höchstens zwanzigtausend …«
    Mir fiel Tirwa ein. Bloß nicht sparen wollen, hatte er gemahnt. »Wollen mal sehn, Elfchen« sagte ich gönnerhaft. Sie verlöschte das Licht bis auf zwei kleine Ampeln über dem Himmelbett.
    Wieviel Stunden vergangen waren, weiß ich nicht. Draußen wird es wohl schon gedämmert haben. Aber die dichten Vorhänge erhielten uns die Nacht. Ich träumte angstvollen Unsinn durcheinander. Plötzlich glaubte ich, jemand würge mich am Halse, fuhr empor Elvira kniete neben mir. »Wie hast du mich erschreckt« sagte sie leise und schaute mich mit einem sanften, schmelzenden Blick an, aber mir war, als hätte ich in der Sekunde des Erwachens in die Fratze eines bösen lauernden Tiers gesehn. »Es ist gut, daß du munter bist«, flüsterte sie und schmiegte sich an mich. »Ich kann nicht schlafen. Eins versprich mir, Zak: nimm mich mit!« Sie erhob flehend die Hände gegen mich und fing unversehens an zu weinen.
    Jetzt war ich wirklich wach, hatte einen kühlen Kopf und meine Gedanken sprangen nicht mehr quer. Ich dachte an meine Aufgäbe. Es wäre ja nicht das erste Mal gewesen, daß ein Spion sein Glück durch

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