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Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Illig
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kostbare Pelzmäntel. Auf der Bühne wurde es so dunkel, daß man die exerzierenden Amazonen und Epheben kaum erkennen konnte.
    Eine Polizeipatrouille von drei Mann mit roter Kokarde und roter Binde am Arm schritt langsam durch die Tischreihen.
    Nachdem sie sich entfernt hatte, wandte sich der Al te an uns beide: »Meine Herren, Einigkeit ist unsere oberste Pflicht. Das sollten Sie den Roten abgucken. Ich hoffe, daß Sie sich wieder vertragen.«
    Ich spielte den derben Biedermann, bot dem Monokel die Rechte und sagte treuherzig, wenngleich etwas barsch: »War nicht bös gemeint. Man wird rauh im Osten …«
    Der Gekränkte reichte mir kühl seine Hand, verbeugte sich förmlich: »Danke, das genügt mir.«
    Ich wollte nun mit dem Alten mein Garn spinnen. »Höchste Zeit überhaupt«, sagte ich und blickte in mein Glas, »daß sich das Blättchen wieder wendet. – Diese rote Schweinerei ist nicht mehr zu ertragen. – Na, so ’n leises Morgengrauen spürt man schon, wenn man von der Ostklitsche nach »U-Privat« kommt, wie? Lange kann’s nicht mehr dauern …«
    Der Alte zuckte mit den Schultern. Das Monokel vertiefte sich in den Rückenausschnitt einer Dame.
    Ich kam keinen Schritt vorwärts.
    Am nächsten Vormittag schnappte ich in der Kirche vor den Börsenpfeilern Bruchstücke eines Gesprächs auf, das zwar belanglos schien, aber seine Hintergrün de haben mochte. Ich merkte es an dem schurkischen Lächeln, das die eckigen Gesichtszüge der Flüsternden auf Augenblicke verklärte.
    Der Eine: »Ich weiß nicht mehr, wie ich’s schaffen soll. Lasse vierundzwanzig Stunden in Schichten durcharbeiten …«
    Der Andere: »Der Schnapskonsum in »Privat« müß te doch ungefähr gleichbleiben, denke ich.«
    Der Eine: »Natürlich. Wer soll denn fünf Millionen Flaschen Mumm-Extra trinken, bitte Sie.«
    Der Andere: »Fünf Mill… Donnerwetter. Wer ist denn der Auftraggeber?«
    Der Eine (flüsternd, ich mußte es mehr erraten, als ich es hören konnte): »Handelsklub!«
    Beide grinsten verständnisinnig.
    Der Andere: »Na, dann feste los. Übrigens hat auch Damenkonfektion ungeheure Aufträge …«
    Damit entfernten sich die beiden. –
    Im Hotel gab ich an, einen Tag in Geschäften zu verreisen. Ich flog mit Bob am Abend ostwärts und landete in tiefer Nacht am Turm.
    Der engere Zentralrat war noch beisammen. Noris leitete die Sitzung. Er sah blaß und übernächtig aus. Die Stimmung war auffällig gedrückt.
    Ich berichtete, daß ich im Grunde nichts zu berichten wüßte. Man wunderte sich darüber kaum.
    Das Gespräch, das ich belauscht hatte, wurde protokolliert. Die meisten neigten der Auffassung von Noris zu, daß »Flasche Schnaps« und »Damenkonfektion« Decknamen für Waffen seien.
    Tirwa widersprach. Es sei Unsinn, anzunehmen, daß die Privaten einen bewaffneten Putsch im Lande versuchen würden. »Das wäre Selbstmord, Genossen. Sie bringen samt ihrer Lakaienbrigade nicht den zwanzigsten Teil der Truppen auf, die wir ihnen sofort entgegenstellen können. Mit offener Gewalt ist gegen uns nichts auszurichten. Das wissen sie ganz genau.« Eine andere Deutung für die Decknamen fand jedoch Tirwa ebensowenig.
    Noris trug mir auf, mich weiter umzusehen. Er überreichte mir eine goldene Taschenuhr. Ich drehte das Ding verlegen in den Händen.
    Noris lächelte: »Nein Karl, wir beehren unsere Getreuen nicht mit gravierten Chronometern. Die glänzende Schale ist eine Kapitalisten-Attrappe, weiter nichts. Wenn du den Aufziehknopf drehst, wird im Innern ein winziger Radioalarmapparat in Gang gesetzt, dessen Ruf unsere Polizeistation hört. Er wird dort von einem Peilempfänger aufgenommen. Man weiß augenblicklich, auf den Meter genau, wo du dich in »U-Privat« befindest. Fünf Minuten später melden sich hundert unserer Polizeigenossen bei dir.
    Sobald du das Geringste bemerkst, weißt du, was du zu tun hast.« Er ahmte die Geste des Uhraufziehens nach. »Ich werde vor Gewalt nicht mehr zurückschrecken!«
    »Bravo Noris« riefen alle Mitglieder des Rates. Er erschrak beinahe über diese Zustimmung. »Leider fehlt uns jeder Anlaß, den Ausnahmezustand zu verkünden«, schränkte er hastig seine mutige Rede ein.
    Tirwa blickte finster vor sich hin.
    Dann erfuhr ich, weshalb der Rat noch so spät in der Nacht zusammensaß und weshalb alle Gesichter so umdüstert schienen.
    An diesem Tage hatten sich in einer Wohnburg Dinge ereignet, so sinnlos und töricht, so unvorstellbar im Rahmen dieser Gemeinschaft, daß ich die

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