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Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Illig
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Nachtgespräche mit einer hübschen Frau machte.
    »Aber Kind«, sagte ich väterlich, »du weißt doch, daß das unmöglich ist. Meine Familie …«
    »Nein, nein, Zak«, rief sie pathetisch, »du brauchst dich nicht zu verstellen. Ich will gar nicht nach dem Osten. Ich meine, wenn die große Sache losgeht …«
    Jetzt mal ganz ruhig bleiben, knurrte ich mich selber an. Ich fühlte, wie sich mein Puls beschleunigte.
    »Weiß von keiner großen Sache« sagte ich rauh und zakisch.
    Elvira schüttelte sich vor Schluchzen: »Warum hast du kein Vertrauen zu mir? Ich weiß es ja, Börsenschreck vom Handelsklub hat’s mir doch selber gesagt. Mögen dann die roten Schufte sehen, wo sie bleiben.« Sie ballte ihre Fäuste und drohte nach der Ecke, wo mein Bademantel hing.
    »Unerhört ist das«, polterte ich, »hat dir Börsenschreck etwa auch den Termin genannt?«
    »O Gott, du darfst es ihm nicht wiedersagen«, wimmerte Elvira, »natürlich, alles hat er mir gesagt … Heute in sechs Wochen fliegt ihr alle ab … ich will nicht hierbleiben, will nicht zu den roten Teufeln.« Sie überschrie sich hysterisch und zerriß ihr Taschentuch.
    »Blödsinn ist das«, brummte ich, »fällt uns gar nicht ein, wegzufliegen. Wohin sollten wir denn auch …« Ich mußte irgendwas ins Blaue hineinreden.
    Elvira faßte sich, legte ihre Wange an meine und sprach ganz vernünftig. »Du brauchst mir doch nichts vorzumachen, Zak. Ich weiß, daß ihr alle in der gleichen Nacht eure Flugzeuge besteigt und hinüber nach Amerika fliegt, wo jetzt schon von euren Leuten alles vorbereitet wird, damit die Geschäfte weitergehen. Ihr laßt einfach die Roten ganz unter sich, damit sie ohne eure Hilfe in den Dreck rutschen. Und dann, wenn sie richtig ausgehungert sind und nach euch winseln, daß ihr ihnen wenigstens trockenes Brot zu beißen gebt, dann kommt ihr wieder und seid die Herren …«
    »Du siehst also, ich weiß genau Bescheid … Aber was soll aus uns werden, die wir euch das Leben verschönert haben, wo und wann wir konnten? Sollen wir uns von den roten Hunden, wenn sie durch euren Abzug zur Tollwut gereizt sind, zerreißen lassen? Nimm mich mit, Zak!« Sie rang verzweifelt die Hände.
    »Nun gut, Elfchen«, sagte ich feierlich, »wenn es so weit ist, soll auch ein Plätzchen für dich in meiner Ar che Noah reserviert werden.«
    »Ich bin dir so dankbar«, hauchte sie und küßte mir die Hand. Undeutlich sah ich im Spiegel ihr abgewandtes Gesicht. Mir schien, es lachte.
    Lange lag ich wach und überlegte. Später mochte ich doch wieder eingeschlafen sein. Als mich Bob gegen Mittag weckte, war Elvira verschwunden. Vielleicht hätte ich sie für eine Traumgestalt gehalten, wenn nicht das Tischchen mit den Resten unserer Mahlzeit und meine Brieftasche gewesen wären, in der zehn Tausenderscheine fehlten. Elvira hatte sich eine kleine Anzahlung auf die Perlen stibitzt.
    Während ich mich ankleidete und rasierte, überdachte ich mir die Geschichte. Da hätte ich ja also das Geheimnis beim Hemdzipfel. Es war zum Lachen einfach. Diese Geldsäcke bildeten sich ein, der Arbeiterstaat, der sie längst nicht mehr brauchte, müßte zu Grunde gehn, wenn sie ihre Stellungen räumten. Gewiß, es ist nicht selten, daß der Hochmut alle Grenzen der Vernunft überspringt und die Selbstüberschätzung ist von jeher ein Grundpfeiler der Kastenwelt gewesen. Es fiel mir aber doch schwer, Leute wie Morgon für so dumm zu halten, wie sie nach diesem Projekt erscheinen mußten. Vielleicht steckte insofern ein realer Kern in dem Märchen, das der ehrenfeste Börsenschreck dem Mädchen aufgebunden hatte, als wirklich eine größere Anzahl mächtiger Privater das Land verlassen wollten, um durch ihren Einfluß die übrige kapitalistische Welt gegen den Arbeiterstaat zu mobilisieren. Ich kam zu keinem rechten Schluß und war gespannt, was die Genossen im Turm meinen würden.
     
    Den Nachmittag brachte ich in einem der vornehmen Cafés zu und las die »U-Privat-Presse«, die ganz harmlos schrieb, weil sie durch die Zensur des Turmes ging.
    Am Nebentisch saßen, nach der Ähnlichkeit zu schließen, Vater und Sohn. Der Vater schien ein besonderer Kapitalgauner zu sein, denn er trug so ziemlich alle gewichtigen Orden, die der Arbeiterstaat zu verleihen hatte. Mit plötzlichem Entschluß legte er die se Last ab und neben sich auf einen Stuhl. Das war nicht üblich, da das Café an der Straße lag. Der Alte mit dem bösartigen Geierkopf sprach erregt auf den Jungen ein.

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