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Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Illig
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Bestürzung begriff, obwohl bei uns kein Hahn danach gekräht hät te.
    Eine Genossin hatte einer andern heimlich ein Kleid entwendet und es in ihrem Bett versteckt. Nicht zum Scherz. Denn als man es fand, schrie sie wütend, sie hätte die Bettelei satt. Wenn man nicht die Zimmer und Schränke verschließen könne, brauche man sich auch nicht zu wundern, wenn mal was wegkäme …
    Ganz unfaßlich; jeder erhielt in den reichlich ausgestatteten Magazinen ohne Kontrolle, was er brauchte und kein Mensch konnte einsehen, was bei Allgemeinbesitz verschließbare Türen und Schränke nützen sollten. Wenn jemand in seinem Raum ungestört sein wollte, schob er ein blaues Schildchen über die äußere Türklinke. Dann verschonte ihn die Umgebung mit Besuchen. Aber Schlüssel …?
    Und der andere Fall betraf zwei Genossen, die sich im Magazin Schuhe holen wollten und schimpften, weil es keine mit Lackkappen gäbe. Die Lager enthielten ausgezeichnete weiche Kalbslederschuhe in schmuc ken Formen. Aber Lackschuhe hielt man für Firlefanz. Noch nie war es dem eitelsten Genossen eingefallen, solche Luxustrittchen zu verlangen.
    Immerhin fand ich es übertrieben, daß sich der Zentralrat so ernsthaft mit diesen Vorgängen befaßte.
    Noch mehr erstaunte ich, als ich plötzlich Jolls Stimme vernahm, ohne ihn zu sehn. Noris hatte ihn aufgefordert, an der Sitzung durch Fernempfang teilzunehmen. Da saß er also in Futura, und sah und hörte genau, was hier im Rat vorging. Sicher war ihm auch mein Eintritt nicht entgangen und er wußte schon, daß ich nichts herausgekriegt hatte. Ich spürte mein Herz klopfen.
    »Es gibt keine vernünftige Erklärung für diese Din ge«, erklang Jolls Stimme hart, »was aber unvernünftig ist, hat seinen Ursprung im Kapitalismus. Vielleicht versuchen es die Privaten durch geheime Agenten mit Hypnose. Man soll erforschen, ob das möglich ist.«
    »Das kann bei dem einen oder anderen gelingen«, antwortete Noris, »aber nicht bei Millionen. Es wäre ein lächerliches Experiment.«
    Joll schwieg. Die anderen wußten auch nichts vorzubringen. Noris hob die Sitzung ohne Ergebnis auf.
     
18
     
    Ausgestattet mit meinem Alarmapparat, forderte ich vom Schicksal eine Gelegenheit, ihn zu erproben. Aber sie stellte sich nicht ein.
    Ich besuchte eifrig die Vergnügungslokale, verdarb mir tapfer den Magen an Wein und Schnaps, machte hier und da vorübergehende Bekanntschaften, ohne mehr zu erfahren, als wir schon wußten. In weinseliger Laune konnte es sein, daß mich einer der Goldonkels vertraulich mit dem Ellenbogen anstieß, das Glas hob und vielsagend auf »Neue Zeiten« anstieß. Das war aber schon viel und. geschah selten. Bei solchem Gefühlsausbruch unter uns »östlichen« Gummijunkern ereignete es sich einmal, daß vom Nebentisch ein Herr hastig an unseren Tisch herantrat und schneidend scharf durch die Zähne zischte: »Meine Herren, Sie wissen wohl nicht mehr, was Sie reden! – Gehen Sie nach Hause!«
    Ich wollte auffahren, aber mein Nachbar, der eben noch so lustig gewesen war, hielt mich ängstlich zurück, zahlte schweigend und wir gingen.
    Draußen flüsterte er: »Er hat natürlich ganz recht – vollkommen recht. Man ist ein toller Esel, weiß Gott.«
    Ich fragte, wer uns diesen Verweis erteilt habe. Mein Begleiter blickte mich sehr erstaunt und forschend an: »Kennen Sie den jungen Morgon nicht? Jeder Mensch kennt ihn, obwohl er sich äußerst selten zeigt. Er ist der Enkel des Alten und sein einziger Nachkomme, ’n knapper Fünfziger und bereits Präsident des Handelsklubs … will was heißen!«
    Ich antwortete, daß mir alles dies natürlich bekannt sei. Die Aufregung hätte mich so benommen, daß ich den »jungen« Morgon gar nicht richtig in mein Gehirn hineinfotografiert hätte.
    Ziemlich frostig trennten wir uns. Ich hatte keinen vertrauenswürdigen Eindruck an diesem Abend hinterlassen und nahm mir vor, noch zurückhaltender zu sein.
     
    Zu Bett zu gehen hatte ich keine Lust, ebensowenig verlockte es mich, mir mit Musik und Likör den Kopf noch wirrer zu machen. Ich ließ mich in einem Sessel in der Hotelhalle versacken und dämmerte vor mich hin. Ein elendes Geschäft, diese Spitzelei, dachte ich, am Ende weiß man selbst nicht mehr, wer man eigentlich ist. Im Halbschlaf sah ich mich zwischen jungen Gummibäumen stehen, eine Hetzpeitsche in der Hand und schwarze Sklaven antreiben. Vielleicht bin ich wirklich der ehrenfeste Graf Zak und alles andre ist nur ein Traumgedusel, das da mit

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