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Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Illig
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manchen Menschen der Trieb, sich sklavisch unterzuordnen, mächtig sei. Dann müsse man aber neue Methoden suchen, um sie von diesem Mangel an Mut zu sich selbst zu befreien. Sei das nicht möglich, so wäre es immer noch besser, diese entarteten Typen in der Gemeinschaft der Freien zugrunde gehen zu lassen, als sie den Privaten auszuliefern. Den Privaten alle Hilfskräfte zu entziehen, war eine seiner dringendsten Forderungen. »Dann verrec ken sie im eigenen Dreck«, pflegte er zu sagen, wenn ihn die Verachtung überkam.
    Die Privaten bezahlten ihre Lakaien gut und ließen sie an ihrem Luxus scheinbar teilnehmen. Sie hofften, sich auf diese Weise eine Schutzgarde gegen die Arbeiter zu erhalten. Die Lakaien hatten sich unter dem Protektorat der Kapitalisten in der »Brigade Wehrhart« organisiert. Sie behaupteten, ein Turnverein zu sein und trugen im Knopfloch ein Abzeichen in Form eines umgestülpten Rasierbeckens.
    Die Brigade war von Staats wegen verboten. Man wußte, daß sie im stillen weiterbestand, kümmerte sich aber wenig darum, weil die Zahl der Lakaien gegenüber den Arbeitern viel zu gering war, um ernsthaft überwacht werden zu müssen.
    Weit wichtiger, als diese Kinderspielvereinigung, die das Gedächtnis an die militärischen Dienstgrade der alten Welt weiterpflegte (der Kellner, der mich bedien te, wurde vom Piccolo »Herr Oberst« angeredet …), war eine Organisation der Privaten, die sich harmlos »Handelsklub« nannte. Die Statuten des Handelsklubs unterstellten privatgeschäftliche und unterhaltende Ziele. Der Zentralrat, der sie genehmigt hatte, fand nichts an ihnen auszusetzen. Man wußte jedoch, daß diesem Handelsklub hochpolitische Bedeutung zukam. Nur wenige und nur die reichsten Geschlechter der Privaten gehörten ihm an. Über die geheimen Besprechungen des Präsidiums gelangten niemals deutliche Meldungen an die Öffentlichkeit. Man wußte nicht einmal, wo sie stattfanden. Im Klubhaus selbst begnügte man sich mit belanglosen Sitzungen, deren Verlauf genau den Statuten entsprach.
    Ein Mitglied der Genossenschaft war jahrelang Haushofmeister im Klub gewesen, ohne jemals auch nur eine verfängliche Redensart gehört zu haben.
    Vertrauenswürdiges Mitglied des Klubs zu werden, war für mich ganz ausgeschlossen. Jeder kannte jeden. Ein Gesuch um Aufnahme hätte peinlichste Nachfor schung nach meiner »feudalen« Abstammung zur Fol ge gehabt. Und selbst, wenn man mich in das Klubhaus eingelassen hätte, wäre ich niemals dem engeren Kreis nahegekommen.
    Anderseits wurde mir immer klarer, daß ich nur in einer geheimen Sitzung des Präsidiums Dinge erfahren konnte, die meinen Auftrag angingen. Die breite Masse der Privaten wußte ebensowenig wie ich, was in der Luft lag. Nur, daß überhaupt etwas vorging, das beschäftigte alle Gemüter.
    Ich setzte mich in der Alhambra zu zwei älteren Herren, die, gleich mir unbeweibt, dem Treiben zuschauten.
    Der Sitte gemäß stellte ich mich vor: »Graf Zak!«
    Die beiden nannten höflich ihre Namen, die ich nicht verstand und wir saßen uns lange stumm gegenüber.
    Der Ältere hatte etliche Pfund Eisen neben sich auf dem Ordenstischchen liegen. Ich bemerkte, wie er mich neidisch betrachtete. Schließlich lösten mehrere große Schnäpse, die er geläufig hinter die Binde goß, seine Zunge.
    »Noch wenig dekoriert!« ächzte er mich ironisch an.
    Ich war froh, endlich ins Gespräch zu kommen. Auf seinen Ton eingehend, sagte ich nachlässig:
    »Wir sind an der Ostküste Gottseidank weit vom Schuß.«
    »Ja, ja – Sie haben’s gut.« Damit verfiel er wieder in stummes Brüten.
    Jetzt ermunterte sich der andere, klemmte sein Monokel fester und sagte: »Kenne einen Ihrer Vettern – den Egon Zak. Wo steckt er denn jetzt, der alte Bursche?«
    »Spritztour nach New York, incognito!« antwortete ich forsch.
    »Nicht möglich, Graf.« Der andere ließ erstaunt sein Monokel fallen. »Sprach gestern mit ihm im Radio. Will mich morgen aufsuchen.«
    Ich versteckte mich hinter Grobheit: »Warum fragen Sie, wenn Sie’s besser wissen? Kümmere mich wenig um Verwandtschaft, Möglich, daß ich mich irre …«
    Der Ton war um eine Schattierung der Angst zu schroff gewesen. Mein Gegenüber sprang blaß auf.
    Der Alte kicherte: »Mit den Zaks ist nicht gut Kirschen essen. Das weiß man.«
    In diesem Augenblick rettete mich der Sirenenruf vor einem peinlichen Zwischenfall.
    Die eisernen Plaketten klirrten rasch über die Frackaufschläge. Die Damen hüllten sich in

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