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Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Illig
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gekränkt.
    »Unsinn«, meinte Bob nachdenklich, »das hat uns jemand im Eden-Hotel zum Andenken mitgegeben. Wir sind aufgefallen. Sie trauen niemandem, den sie nicht stündlich vor Augen haben. Wir müssen dreifach vorsichtig sein.«
    Mir war, als trüge der blasse Mond, der sich eben über den Wolkentisch beugte, ein Monokel.
     
19
     
    Tirwa hörte meinen Bericht an, ohne mich zu unterbrechen. Statt einer Antwort zog er mich am Arm in den Fahrstuhl. In der Geheimabteilung des Überwachungsdienstes beschrieb ich Elvira. Es gab da eine sehr hübsche und einfache Einrichtung, um das Bild, das ich in der Erinnerung trug, allen sichtbar zu machen. Man zeigte mir zwei Normalköpfe, den einen von vorn, den anderen von der Seite gesehen. Ich hielt sie erst für Bleistiftzeichnungen hinter Glas und Rahmen. Wenn man jedoch mit einem metallenen Stift über die Platte fuhr, verschoben sich die Linien, Eisenstäubchen, die der elektromagnetischen Einwirkung des Griffels folgten. Ein zeichnerisch begabter Genosse veränderte das Gesicht nach meiner Beschreibung. »Sie hatte eine kleine, freche Stupsnase«, sagte ich; schon hatte der Normalkopf auch eine. Sie stimmte natürlich nicht, den Fehler sah ich gleich und korrigierte, so gut ich konnte, selbst. Der Zeichner half meiner ungelenken Hand nach, und wirklich hatten wir nach ein paar Minuten Elvira beisammen. Man kannte sie. Aus der Kartothek kam Bild und Bericht. Sie hieß wirklich Elvira, ihre Beziehungen reichten in die »höchsten Kreise« des Handelsklubs. Vorübergehend war sie sogar die Freundin des jungen Morgon gewesen.
    Ich habe vielleicht ein stolzes Gesicht gemacht: Da seht ihr, die Sache stimmt, ich hab’s herausgekriegt. Tirwa lächelte. »Deinen Grafenrock kannst du an den Nagel hängen«, meinte er trocken. »Elfchen hat bestellte Arbeit geleistet. Sie wollen uns aufs falsche Gleis schieben. Immerhin wissen wir, daß die Entscheidung in den nächsten Tagen fällig ist, sonst hätte sie dir nicht von sechs Wochen erzählt. Sie wollen, daß wir uns noch einen Monat sicher fühlen …«
    Ich sah ein, daß Tirwa recht hatte. Wahrscheinlich waren sie über mich und meine Ansichten längst im klaren. Zak von Gummiklau hatte es wohl an junkerlicher Anmaßung fehlen lassen. Die großherrliche Grobheit läßt sich nicht von heute auf morgen lernen. Zaks Sendung war mißlungen und ich recht niedergeschlagen.
    Die Lage hatte sich inzwischen kaum verändert. Das Mädchen, das das Kleid entwendet hatte, war am nächsten Tag weinend im Turm erschienen und hatte erklärt, es wisse nicht, wie es zu der Tat und den ungeheuerlichen Äußerungen gekommen sei. Es bedaure diese Handlungen tief, könne sich aber nicht für schuldig halten, weil es jetzt wie auch vorher, von der Unsinnigkeit des Privatbesitzes voll überzeugt sei.
    Ebenso konnten sich die beiden Lackschuhgenossen nicht genug über sich selbst wundern. Sie fanden jetzt die Privatkleidung genau so lächerlich wie jeder ande re. Verlegen meinten sie: »Wenn wir noch im Mittelalter lebten, würden wir denken, jemand hätte uns verhext …« Eine verständliche Erklärung wußten sie weder sich selbst, noch den anderen zu geben.
    Die drei ließen sich freiwillig im individualpsychologischen Institut untersuchen. Auch dort fand man nichts, was in dieses dunkle Seelenabenteuer Licht bringen konnte.
    Indessen verlor die Öffentlichkeit das Interesse an diesen Ereignissen. Auch im Zentralrat entspannten sich die Gemüter.
    Ich erbat mir zwei Tage Urlaub. Meine Lebensweise als »Privater« hatten meine Nerven und den Magen angegriffen. Raus aus dem Schlamm! Ein gutes Wort von Jana und ein derber Händedruck von Hein, das fehlte mir, das würde mich wieder sauber machen.
    Hein fand ich in alter Verfassung. Er lebte wieder mit den Fischern zusammen. Die Genossin, die ihm acht Tage Sommerfrische verschafft hatte, war seineGefährtin geworden. Er – ein wenig unterordnungsbedürftig – spielte den Pantoffelhelden, obwohl seine bessere Hälfte, als gute Utopierin, es gar nicht verlangte.
    Wir verbrachten einen schönen Abend im Gemeinschaftshaus der Fischer. Aus ihren Augen leuchtete die Ruhe des weiten Meeres.
    Ihre Fäuste packten fest und sicher zu. Und ihre Münder sprachen nur knappe und derbsitzende Worte.
    Erst hier fühlte ich, wie verlogen, weichlich und klebrig die Atmosphäre von U-Privat war. Ich atmete tief und war glücklich.
    Von meinen Spitzelabenteuern erzählte ich einiges. Es gab nur eine Stimme: man solle

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