Utopolis
Seine energischen Handbewegungen und sein Kopfwerfen bedeuteten: »Ich habe das satt, ich lasse mir diesen Hohn nicht mehr bieten, meine Geduld ist zu Ende.«
Wie gerufen betrat ein Polizeigenosse den Raum. Solidarisch versuchte man sofort seine Aufmerksamkeit von dem rebellischen Privatmann abzulenken. Ein Herr bat ihn höflich um eine Ortsauskunft, ein anderer behauptete, vor einigen Minuten hätte man auf der Straße nach Polizei rufen hören.
Der Polizist ließ sich indessen nicht beirren. Er trat an den Tisch des Geierköpfigen und ersuchte ihn, sofort seine Orden anzulegen, wie es das Staatsgesetz fordere.
Das Unerhörte geschah. Der Alte blickte höhnisch auf die rote helmartige Kappe des Ordnungsmannes und schrie: »Ich pfeife auf dieses Staatsgesetz. Ich bin kein Packesel. Häng’ dir den Dreck selber um den Hals.«
Von allen Seiten sprangen Private herbei und redeten auf den Alten ein. Er solle um Gotteswillen vernünftig sein und keinen Zusammenstoß mit dem Zentralrat provozieren.
Der Polizist blieb von dem Tumult unberührt. Er legte die Hand auf die Schulter des zeternden Geierkopfes, erklärte ihn für verhaftet und forderte ihn auf, ihm zu folgen. In diesem Augenblick bemerkte ich, daß der Junge einen Revolver aus der Hosentasche riß – und fast mechanisch drehte ich an der Kopfschraube meiner Alarmuhr … Zugleich sah ich, wie aus dem Helm des Polizisten haarfeine Drähte wie ein strahlenförmiger Heiligenschein hervorwuchsen.
Bevor die entsetzten Umstehenden den jungen Mann hindern konnten, krachte der Schuß – und zer splitterte hinter ihm einen Spiegel. Der Polizist lächel te. Die Privaten und Lakaien, die den Vorgang miterlebt hatten, erstarrten wie gelähmt. Neben mir flüsterte jemand heiser: »Das ist der elektrische Panzer, von dem man bisher immer nur Gerüchte hörte.« Schon aber gellten draußen heulende Autosirenen. Und in der nächsten Sekunde war das Lokal von hundert roten Polizisten besetzt.
Jetzt staunte der Polizeimann, der den Alten soeben ungehindert abführen wollte, denn er hatte ja nicht alarmiert. Ich stand klopfenden Herzens unter den andern Privaten und erwartete von dem Führer der Patrouille, der mich, wie ich fühlte, sofort erkannt hatte, angesprochen zu werden. Doch der war geschickter. Er durchschaute sofort den Vorgang, würdigte mich kei nes Blickes mehr, setzte seine Signalpfeife an den Mund und so rasch, wie sie gekommen, verschwanden die Hundert wieder, den alten und den jungen Privaten in ihrer Mitte.
Immerhin stellte ich zu meiner Genugtuung fest, daß mein Apparat ausgezeichnet funktionierte und daß dieser märchenhafte Aufmarsch der roten Hundertschaft ungeheuren Eindruck auf die Privaten gemacht hatte.
An den Tischen wurde nur noch geflüstert und die gepflegten wohlrasierten Gesichter fältelten sich in sichtbarer Bestürzung.
Während ich mich noch an meinem voreiligen Erfolg weidete, beugte sich im Vorbeigehen eine schmale Gestalt zu mir herab und sagte lässig: »Hat fabelhaft geklappt, was?« Hinter dem Monokel streifte mich ein kaltes Auge ironisch. Meine Bekanntschaft vom ersten Abend in der Alhambra.
Unbehagen beschlich mich. Elvira, die Widersetzlichkeit des alten Privaten und der unsympathische Bursche, der »meinen« Vetter, den Egon Zak, so gut kannte es stimmte nicht zusammen, es blieben Widersprüche, weniger für den Verstand, als für das Gefühl. Waren wir erst im Turm, wünschte ich.
Wie stets starteten wir nach Einbruch der Dunkelheit. Kurz bevor wir unseren Ostkurs aufgeben wollten, um nach Utopolis zurückzukehren, glaubte Bob eine Ungenauigkeit im Lauf des Propellers zu hören. Er drückte mir das Steuer in die Hand (die automatischen Sicherungen gestatteten keine groben Fehler) und kroch in den Akkumulatorenraum. Er kam bald zurück. Der Motor lief wieder tadellos. Eine Zuleitung hatte sich gelockert gehabt. Aber Bob hielt ein Kästchen in der Hand, das nicht zu seiner Maschine gehörte. Wir zertrümmerten den Deckel mit einem Schraubenschlüssel. Eine kleine Glasröhre leuchtete im Innern, Spulen und Drähte ergaben ein sauberes metallisches Eingeweide.
»Was ist das?«
Bob pfiff durch die Zähne. Er wußte Bescheid. »Ein kleiner Radiosender, der mit periodischen Unterbrechungen seine Welle funkt. Wer darauf eingestellt ist, kann unsern ganzen Flugweg peilen.«
Bob hantierte zwischen den Drähten. Das Glimmlicht erlosch.
»Sollten sie uns auf diese Weise vom Turm aus kontrollieren?« fragte ich
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