Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Illig
Vom Netzwerk:
die ganze Privatenbrut zum Teufel jagen und ihre Siedlungen in die Luft sprengen. Joll hätte es längst getan, aber Noris …? Und man fluchte auf ihn, obwohl man anerkannte, daß seine Absichten redlich seien. »Er wird uns in den Dreck reiten und Joll muß dann den Karren wieder herausziehen – wenn’s nicht zu spät ist!« Ich mußte an den alten Genossen denken, der neben mir in der Monatssitzung des Zentralrates dieselbe Befürchtung ausgesprochen hatte.
    Unter schmerzlichen Seitenblicken auf seine Freundin bot mir Hein tatkräftige Hilfe an. »Ick laß mir als Privatmann erster Klasse ausstaffieren mit die schwer sten Ordens, Jungs. Wenn’s Klamauk gibt, hau’ ick den Brüdern die Eisensternchen in die Fresse, dat sie die Begräbnisglocken läuten hören.« Wenn das mal so einfach wär’ … »Dat viele Reden und Lavieren, Jungs … Schiet! Ne orntliche Backspier mang die Flossen … dat nenn’ ich ’n Fest!« Breitbeinig stand er zwischen uns und haute mit seinen Fäusten Löcher in die Luft, und weil etwas geschehen mußte, hob er sein Mädel aus, wirbelte es über unseren Köpfen und schmatzte es tüchtig ab.
    Nach dem Essen gab’s Musik. Kein Radiokonzert, sondern echtes Schifferklavier. »Dat mit die Technik in Ehren«, raunte mir Hein zu, »aber wat ’n richtiges Bandonium is, Mensch, da kann mir dat elektrische Gebimmel gestohlen sin …« Er begann an allen Gliedern zu schlottern und arbeitete, daß ihm der Schweiß von der kühn geschwungenen Nase tropfte, »’n echten Niggerstep!« behauptete er. Sein Mädel lachte Tränen, die Fischer schmunzelten. Später tanzten und sangen wir alle. Es war ein herrlicher Abend.
    Bevor wir uns trennten, nahm mich Hein auf die Seite. »Wat meinst du, Korl«, flüsterte er geheimnisvoll, »du kennst dich besser aus, meinst du, dat sie’t mir übelnimmt?«
    »Was denn, Hein?«
    »Ick will ihr die Flasche verehren, mit dem Schiff drin. Aber vielleicht gibt’s dann wieder ’n dolles Palaver und ick muß wieder Inselknast schieben …« Ihm lag augenblicklich nichts an Einsamkeit.
    »Da sei mal ohne Sorge«, beruhigte ich ihn, »du mußt aber den Namen ändern, Kathrin hat doch nun abgetakelt.«
    Hein knuffte mich freundschaftlich: »Wenn du mir nich verpfeifst, sag’ ich, et is ihr Name in schleswig-holsteinsche Buchstaben.« Er schaute mich triumphierend an. Ich gelobte ewiges Schweigen, wir tanzten uns auf die Schultern und gingen zu Bett.
    Bei Jana ruhte ich mich aus. Wir zogen in ein kleines Häuschen in der Nähe ihres Jugendlagers und gehörten uns anderthalb Tage allein.
    Stundenlang lagen wir am Strand. Die Wellen spielten über uns hin. Wir gruben mit den Händen Muschelschalen aus. Dann gingen wir durch den lichten Palmenwald zur Felsküste, kletterten mühsam über das porige Gestein in die Brandung und tauchten nach Korallen.
    Eine unbestimmte Furcht trieb mich, das Glück dieser Stunden leidenschaftlich auszukosten. Am liebsten hätte ich Bäume, Meer, Berge und Himmel an mein Herz gezogen. Ich umarmte Jana ungestüm. Die friedvolle Unschuld der weiten Natur war in ihr. Alles lag in meinen Händen, wenn ich Jana hielt.
    Mein Abenteuer mit Elvira hatte ich nicht verschwiegen. Es war mir überhaupt nicht möglich, vor Jana etwas geheimzuhalten, obwohl sie oder vielleicht gerade weil sie nie in mich drang, um mein Innerstes an die Oberfläche zu ackern. Das ist ein böser Sport der bürgerlichen Welt, sich gegenseitig die seelischen Nähte aufzutrennen, bis nur noch das billige Unterfutter von Rachlust, Neid und blasser Ichsucht übrig bleibt.
    »Wie schrecklich«, sagte Jana, »das Mädchen hat dich gar nicht lieb gehabt. Sicher hat es entsetzlich gelitten.« Sie war voller Mitleid und konnte sich nicht vorstellen, daß jene Frauen einen besonderen Reiz dar in fanden, ihre Körper auszuspielen, um eine Perlenkette einzuhandeln oder einen Mann im Auftrag anderer Männer zu überlisten.
    »Im Gegenteil«, brummte ich verdrossen und von gekränkten Selbstgefühlen angenagt, »die haben sich schiefgelacht im Handelsklub, als Elvira ihren Besuch beim falschen Zak schilderte. Sie wird sehr stolz dar auf sein und sich wichtig machen. So ist das.«
    Jana schaute mich lange an, als wäre ich etwas sehr Fremdes. »Du sprichst wie Morgon«, sagte sie traurig. Es gab einige leere Minuten zwischen uns.
    In der Nacht, als wir Seite an Seite lagen, ganz erlöst, bettete Jana ihren Kopf an meine Schulter. Ihre Stirn kühlte meine Wange. Sie begann leise zu

Weitere Kostenlose Bücher