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Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Illig
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singen, ein Freiheitslied:
     
    Dein Herz, Liebster, kenn ich nicht mehr,
    Vergiß meinen Namen,
    Wir sind Kameraden im roten Heer.
     
    Wir stampfen zu tausend, ein Schlag, ein Schritt,
    Wir Kampfmaschine!
    Turbinen sind unsere Herzen, unsre Hirne sind Dynamit.
     
    Wir haben gesiegt. Schau auf, wer ich bin!
    Ein Weib und deine Geliebte.
    Nun will ich dich küssen, nimm du mich hin
     
    Sie umschlang mich ganz fest. Ich fühlte, es war eine Art Abschied. Am Morgen, als ich fort mußte, zurück in die Stadt, begleitete mich Jana bis an den Rand des Parks. Wir gingen schnell, Hüfte an Hüfte, mit untergefaßten Armen, und freuten uns über den Wind, der an den Kleidern zerrte. Wir waren unser gewiß, es bedurfte keiner Worte mehr.
    Als ich in den Wagen sprang und Jana die Hand hob, um mir zu winken, verlor ich doch plötzlich allen Mut. Warum blieb ich nicht bei ihr, was trieb mich fort? Ich brauchte nur mit Tirwa zu sprechen, er würde mich sicher nicht zurückrufen. Meine Rolle als Priva tenspitzel war ausgespielt … Jana erriet meine Gedanken. Langsam wandte sie ihr Gesicht von mir. Ich fühlte, sie konnte mir alles verzeihen, nur keine Fahnenflucht in diesem Augenblick, da die Gefahr höchste Bereitschaft und Hingabe jedes einzelnen für den Bestand des Ganzen forderte.
    Ich rüttelte mich zusammen und rief möglichst heiter: »Bald komm ich wieder … wenn mich der Turm losläßt!«
    Wie konnten ihre Augen leuchten! So schön hatte ich sie noch nicht gesehen. Eine zarte Röte färbte ihre Wangen. Sie senkte den Kopf und flüsterte: »Sonst komm ich in den Turm.« Ohne sich noch einmal umzuschauen, lief sie über die Wiesen davon.
     
    Die letzten Stunden des Urlaubes verbrachte ich bei Joll.
    Ich fand ihn anders als sonst. Unruhig ging er in seinem Zimmer auf und ab, wie ein Gefangener in der Zelle, der weiß, daß das Zuchthaus brennt. Seine Hän de spielten nervös mit Papieren, die sie scheinbar ohne Wissen ihres Herrn von der Schreibplatte weghaschten. Er hörte meinen Bericht zerstreut an, unterbrach mich durch zusammenhanglose Zwischenfragen und beantwortete sie meist selbst, ohne daß ich den Sinn seiner Worte verstand. Mir war sehr unbehaglich. Von die sem Mann erhoffte sich die Mehrzahl der Genossen rasche und entscheidende Taten! Mir schien, daß er schon jetzt völlig rat- und planlos war.
    Plötzlich blieb er dicht vor mir stehen und faßte mich am Hemdsaum: »Wenn du nicht eine Geheimsitzung des Handelsklubs belauschen kannst, ist deine Arbeit umsonst«, sagte er fast barsch. »Übrigens traue ich der Biedermannsmaske des alten Morgon schon lange nicht. Er will nicht eher im Privathimmel seine Millionärsloge beziehen, als bis er wieder Sklaven in eigenen Erzgruben fronden sieht. Er hält sich allzu unauffällig.«
    »Wie soll ich in das Allerheiligste des Klubs eindringen?« fragte ich schüchtern.
    Joll ließ mich los und zuckte statt einer Antwort mit den Schultern. Dann setzte er sich schwerfällig an den Arbeitstisch und drückte mir ein Blatt in die Hand. »Hier, das ist das Neueste vom Kriegsschauplatz.«
    Der Bogen trug die Aufschrift: Täglicher Bericht der Genossenschaftsbank. Er enthielt Zahlenreihen, die mir unverständlich blieben.
    Joll merkte es: »Gestern stieg in Utopolis das Verrechnungsgeld mit der Privatbank um mehr als vierzig Prozent über den Durchschnitt!«
    »Das bedeutet?«
    »Daß unsere Genossen sich weit über das übliche Maß bei unserer Bank Privatgeld auszahlen ließen. Die Summe selbst spielt keine Rolle, aber das Symptom.«
    »Das Symptom?«
    Er streifte mich mit einem fast mitleidigen Blick und blieb mir die Antwort schuldig.
    Minuten schlichen trage. Ich setzte mich auf den Rand eines Stuhls und wünschte sonstwo zu sein. Als Rekrut hatte ich mal helfen müssen, einen Tobsüchti gen in die Zwangsjacke zu stecken. An den erinnerte mich jetzt Joll. Ich fürchtete mich vor ihm.
    Nach langer Pause sagte er endlich und fast mit Widerwillen: »In kurzer Zeit wird mir Noris den Vorsitz im Zentralrat anbieten, weil er einsehen muß, daß sein Menschenglaube am Machtwillen der Kapitalisten gescheitert ist.«
    »Du wirst die Stelle annehmen?« fragte ich beklommen.
    Unter zusammengezogenen Brauen blitzte er mich prüfend an. Stand mit kurzem Ruck auf. Unwillkürlich erhob auch ich mich.
    »Gewiß«, sprach er zum Fenster hinaus. »Gewiß werde ich kommen, wenn mich die Gemeinschaft ruft. Obwohl es vielleicht vernünftiger wäre, hier zu bleiben.«
    Da er nicht mehr zu mir

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