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Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Illig
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›Kaiser‹ von unseren Gnaden eingenaues Arbeitsprogramm einzubauen. Was versprechen Sie sich von diesem Kinderspiel? Halten Sie diesen Apparat von Hof und Staatsämtern für eine wirksame Garantie, daß unsere Truppen auf rebellierende Arbeiter schießen, wenn es nötig sein sollte? Wäre es nicht einfacher und billiger gewesen, einen Draufgän ger zum Höchstkommandierenden zu machen, der sei ne Befehle direkt von uns bezieht und von uns – ohne den Umweg einer Staatskasse – bezahlt wird?«
    Ein Dritter ärgerte sich darüber, daß man der Kirche zu hohe Entschädigungen zugebilligt hätte. »Wir haben alles Risiko auf uns geladen. Kaum beginnt unsere Saat aufzugehen, stellt sich schon der Pfarrer ein und fordert seine Pfründe. Ich finde es unerhört, daß der Erzbischof uns mit seinen Unterhändlern belästigt und Truppen anfordert, um die Ländereien, die weiß Gott wann einmal der Kirche gehört haben, gegen ›weltliche Übergriffe‹ zu sichern.
    Diese Ländereien, meine Herren, gehören uns und der Bischof soll seine Klöster in den Mond bauen.«
    Man nickte zustimmend.
    Nun begann Morgon zu sprechen. Seine Rede ging langsam, ruhig und knapp, beherrscht wie immer, aber man spürte doch, daß er gereizt war.
    »Einer der Herren meint, die Bestätigung des Kaisers sei Zeitverschwendung gewesen, die Anerkennung und Besoldung einer Art Regierung vergeude unser Geld. Wer mich kennt, weiß, daß ich noch nie eine Minute und einen Cent verschwendet habe.«
    Er blickte scharf in die Runde und las von allen Gesichtern, daß man ihm, was Geiz anlangte, unbedingtes Vertrauen schenkte. Zufriedener fuhr er fort: »Unsere Herrschaft wird nur dann Bestand haben, wenn uns niemand kennt. Wir brauchen aber Scheinherrscher, die aller Öffentlichkeit sichtbar sind, um der Masse sowohl Idole der Verehrung, als Köpfe für die Guillotine zu liefern. Je nach Zeit und Mode.
    Denn darüber, meine Herren, kann kein Zweifel sein: früher oder später wird sich der Pöbel wieder auf Gleichmacherei, Verbrüderung und andere Hirngespinste besinnen und eine revolutionären Ideen forterben. Er wird sich wieder in Organisationen zusammenfinden, und wenn wir hinter jedem einzelnen Mann ein Bajonett aufpflanzen. Das ist unvermeidlich. Und wenn es uns auch lange gelingt, ihn uneinig zu halten und seine Kräfte zu zersplittern – wobei uns die Kirche vorzügliche Dienste leistet –, wir können nicht verhindern, daß er eines Tages alle Ventile sprengt und sich die Herrschaft anmaßt. Wer soll dann sein Opfer sein? Wollen Sie die Köpfe Ihrer Kinder oder Enkel der Volkswut aussetzen? Oder wollen wir nicht beizeiten den Strom des Hasses, der schließlich seine Dämme bricht, auf andere Leute richten, auf Lakaien, denen wir gestatten, Kronen und Zepter zu tragen und sich in äußerlichem Machtrausch zu baden?
    Hat sich an diesen Thronhimmeln und Galaunifor men die Rache der Sklaven gekühlt, dann werden sie zu uns kommen und uns zwar hochfahrend, aber innerlich demütig bitten, an dem neuen Staat mitzuarbeiten, unsere Erfahrungen und Beziehungen in den Dienst der Volksgemeinschaft zu stellen, und was dergleichen Redensarten mehr sind.
    Daß wir in dem Augenblick wieder Sieger sind, brauche ich Ihnen nicht erst zu versichern.
    Aus diesen Gründen Kaiser, Hofstaat, Beamte und Offizierskaste und freundliches Einvernehmen mit der Kirche. Die Fäden, an denen diese Puppen tanzen, lau fen hier zusammen« – er schloß seine knochigen Finger zur Faust. »Wenn es jemanden gelüstet, auszukundschaften, wer diese Lebensfäden führt« – er öffnete die Hand, ab wolle er einen Vogel fliegen lassen –, »werfen wir den Mechanismus von uns, und diese Scheinwelt der Ehren und des Ruhms stürzt stumm und starr in die Versenkung.
    Wer wahrhaft herrschen will, muß unsichtbar sein!«
    Diese lange Rede schien auch die Gegner Morgons überzeugt zu haben. Niemand begehrte mehr zu sprechen. Man schmunzelte und unterhielt sich gedämpft von Sessel zu Sessel.
    Morgon rief: »Ingenieur!«
    Die Glaswand verschob sich, hinter ihr trat ein Mann im weißen Mantel hervor. Im Nebenraum, aus dem er kam, befand sich offenbar die Apparatur des Fernsehers, vielleicht die ganze technische Zentrale, von der aus Strahler und Energieschutz bedient wurden.
    »Sic garantieren für den Elektropanzer unseres Hauses?« fragte Morgon.
    »Gewiß, Herr«, antwortete der Ingenieur. »Allerdings nicht für unbeschränkte Zeit. Wenn es den Turmleuten gelingt, ihre ganze, ungeheure

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