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Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Illig
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zum Aufenthalt, wenn man den Kraftschutz prüfte.
    Die Mauern hatten bisher standgehalten. »Tadellos gebaut«, urteilte man.
    In einer der Nischen lag etwas. Morgon stellte genauer ein. Ein Mensch. Näher führte der Apparat heran. Ein Mädchen – – –
    »Jana – Jana!« Ich wollte schreien, aber nur ein Wimmern drang aus meiner Kehle. Im Aufruhr der Gefühle sprengte ich die Fesseln. »Jana! …«
    »Was winselt das Schwein?« näselte Morgon. Der Detektiv beugte sich über mich und hätte zweifellos bemerkt, daß seine guten stählernen Handschellen nur noch Brucheisen waren, wenn nicht in diesem Augenblick der Ingenieur laut »Achtung!« gerufen hätte.
    Auf der Glasscheibe erschien wieder die Turmterrasse mit den Apparaten.
    Alle starrten wie gebannt auf den jungen Genossen Ingenieur, der den großen Schalter mit beiden Händen hielt und auf ein Kopfnicken Tirwas schnell in die Kontakte warf.
    Im gleichen Augenblick knackte es im Nebenraum. Der Ingenieur Morgons meldete mit ruhiger Stimme: »Ich habe ebenfalls geschaltet.«
    Der Sekundenzeiger tat drei, vier langsame Schritte. Meine Gedanken rotierten in rasendem Schwung, wie der Kern einer Dynamomaschine. Spannung, Überspannung und … Blitz! Meine große, meine einzige Gelegenheit war da! Ich schnellte empor, hieb meinem Wächter die Faust unters Kinn und warf mich mit voller Wucht gegen die Glaswand. Sie zersplitterte. Den Ingenieur schleuderte ich zur Seite und riß den Hebel, auf dem seine Hand geruht hatte, herunter. Er brach ab.
    Schon schlug Hitze furchtbar auf mich nieder. Ich ertastete taumelnd eine goldene Zunge. Die Wand schob sich auf. Ich sprang ins Treppenhaus, flog in langen Sätzen hinunter. Das Gestänge des Fahrstuhls begann zu glühen. Glitzernde Gießbäche geschmolzenen Metalls rieselten an ihm herab.
    Hinter mir horte ich gräßliche Schreie. Mit letzter Kraft erreichte ich den Schacht. Krachend und zischend stürzte das Treppenhaus in sich zusammen.
    Ich raste durch den Tunnel. Flammenbäche folgten mir und warfen ihren feurigen Widerschein weit voraus. Wie ich das Klubhaus erreichte und die rettende Steintreppe, weiß ich nicht mehr zu sagen. Ich stand plötzlich im Freien, auf der Straße, und konnte wieder atmen.
    Die Nacht war weiß. Der glühende, schmelzende Stahlblock erhellte sie, der noch vor einer Minute Morgons Burg gewesen war.
    In flüssigem Silber versanken die Terrassen wie untergehende Schiffe. Goldene Fontänen spritzten auf. Dann sackte die blendende Masse in sich zusammen, lief breit aus und färbte sich dunkelrot. Schwarzer Qualm ballte sich zu Wolken. Der Wind wehte ätzende Metalldämpfe herüber.
    Morgons Spiel war aus.
     
34
     
    Die Betäubung dieser schrecklichen Tage wich von mir. Mein Kopf war frei und leicht, aber die Glieder versagten den Dienst. Ich wollte zum Turm rennen, um Jana zu finden. Sie war wohl längst tot, von der Gewalt der elektrischen Stürme, die sie umbraust hatten, zerstört. Ich wollte dennoch bei ihr sein und an ihrer Seite sterben, wenn das Bombengeschwader Utopolis zerpflügte, aber meine Willenskraft war am Ende. Ich brach in die Knie, zog mich am Gartengitter wieder empor, und setzte mich auf den breiten, steinernen Sockel.
    Wie schön war Jana gewesen, als ich sie in der zauberischen Glaswand erblickt hatte. Völlig unversehrt, ein schlafendes Kind, lag sie in der blitzumfunkelten Gruft. Auf ihren Lippen schien ein glückliches, zärtliches Wort zu schweben. Ohne Schmerz war sie hinübergegangen, vielleicht im liebevollen Gedenken an mich.
    Ich grüßte hinüber in ihre Einsamkeit. Wie gerne hätte ich noch einmal deinen lieben Kopf in meinen Schoß gebettet, kleine Jana, und zum Abschied geküßt.
    Leb wohl – leb wohl …
    Um mich war es lebendig geworden. In den Villen der Privaten flammten Lichter auf. Menschen schrien und rannten auf die Straße. In Nachtgewändern liefen sie planlos durcheinander. Krallten sich aneinander fest:
    »Was gibt’s? – Entsetzliches geschieht.«
    »Wo ist Morgons Burg – unser Schutz!«
    »Dort dieser dampfende Feuersee.«
    »Hilfe! – Hilfe! – Was sollen wir tun?«
    »Polizei!«
    »Die Soldaten – die Armee – wo sind sie?«
    »Was Armee – alle Verräter!«
    »Wer hat die Macht?«
    »Wir sind die Herren, Ruhe. Zurück in die Häuser. Die Regierung sorgt für Ordnung.«
    »Unsinn – die Roten sind über uns – die Roten – ret te sich, wer kann.«
    Und sie hasteten in panischer Angst straßauf, stra ßab. Manche schleppten

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