V wie Verrat
um diese beiden Männer drehte und um das, was Mac mir in der Nacht alles erzählt hatte.
Wer ist das bei Vik? Warum weiß ich nichts davon? Warum bin es nicht ich? Ich soll mich entscheiden. Ich liebe Viktor! Über alles! Aber ich will Mac nicht noch einmal verlieren. Er würde mir nichts verheimlichen. Er würde auch nicht weglaufen und mich so zurücklassen. Aber Vik hat bestimmt einen Grund. Einen sehr wichtigen Grund. Oder jemand hält ihn zurück. Vielleicht Pierre? Wieso ist er überhaupt hier? Das kann doch kein Zufall sein. Verfolgt er mich etwa? Wenn Mac gestern nicht dagewesen wäre?
Irgendwann war mein Hirn so überfordert, dass es einfach ausschaltete. Ich wickelte mich in die Decke, setzte mich auf die Fensterbank und presste meine heiße Stirn an die kühle Scheibe.
Und wartete.
Auf den Morgen.
Auf Lea.
Auf eine Erleuchtung.
Der Morgen kam schnell. Lea auch. Die Erleuchtung nicht.
Der Himmel hatte gerade einen zarten Orangeton angenommen, als sie die Tür öffnete. Überrascht blieb sie stehen.
»Ich dachte, du schläfst.«
»Nein. Ich kann nicht.«
»Hm. Warte kurz. Ich bin gleich wieder da.«
Nach wenigen Minuten kam sie zurück, ein kleines Tablett mit Kaffeetassen in der Hand. Sie stellte es auf dem Tisch ab, ließ sich in den Sessel fallen und sah mich lange an. Schließlich seufzte sie, nahm sich einen Espresso und trank schweigend. Erst nachdem sie die leere Tasse wieder abgestellt hatte, sagte sie: »Willst du reden?«
Ich verneinte stumm.
»Das dachte ich mir. Darf ich?«
»Mhm.«
Innerlich betete ich, dass ich mir jetzt keine Vorwürfe, guten Ratschläge oder dergleichen anhören musste.
»Andrew hat dir erklärt, warum ich das heute Nacht getan habe? Bene! Er ist für mich wie ... wie Vater und Bruder in einem. Ich kenne ihn schon mein ganzes Leben lang und obwohl er ein unglaublich faszinierender Mann ist, war das niemals ein Thema und wird auch niemals eins sein. Ok?«
Wieder nickte ich nur.
»Aber trotzdem liebe ich ihn. Sehr! Und ich sehe, dass er leidet. Versteh mich nicht falsch Amica, ich mag dich. Aber ich mag nicht, wie du ihm wehtust.«
Ich konnte sie nur traurig anschauen.
»Und weißt du, was das Gestörte an der ganzen Situation ist? Hm? Ich sag es dir. Du leidest auch.«
Auf der strahlend weißen Decke erschien ein kleiner grauer Punkt.
Wieso kann ich weinen, ohne es zu merken?
Lea beugte sich nach vorne.
»Anna. Ich kenne deinen Viktor nicht. Und ich kann dir keinen Rat geben, was du tun sollst. Aber ich kenne Mac und das sehr gut. Ich habe ihn so noch nie erlebt. Dieser Mann liebt dich abgöttisch.«
Aus dem kleinen grauen Punkt wurde nach und nach ein immer größerer Fleck. Lea fuhr sich über die müden Augen.
»Bitte, zerbrich ihn nicht. Nimm ihm nicht seinen Stolz. Das würde er nicht verkraften. Wenn du dich nicht voll und ganz für ihn entscheiden kannst, dann musst du ihn gehen lassen. Als stolzer Verlierer kann er weiterleben, aber so wie jetzt - nein!«
Sie stand auf.
»Ich habe meinen Flug mit einer Kollegin getauscht und fliege nach Deutschland zurück. Und ich habe dir einen Platz reserviert. Fliegst du mit?«
Mein Kopf war völlig leer. Ohne eine bewusste Entscheidung getroffen zu haben, nickte ich einfach nur. Lea blieb einen Moment unschlüssig stehen, dann atmete sie tief ein und aus.
»Gut, dann sollten wir uns langsam fertigmachen. Du gehst duschen und ich kümmere mich um den Rest. Va bene? Wenn du jetzt nickst, leg ich dich übers Knie.«
Ich rang mir ein Lächeln ab und sagte: »Schon gut. Ich geh ja schon.«
»Grazie a Dio! Sie spricht wieder!«
Als ich an ihr vorbeiging, streichelte sie voller Mitgefühl kurz über meinen Arm.
Wir mussten zuerst zur Villa zurück, da ihr eigener Wagen noch dort stand. Andrew hatte seinen Landrover dagelassen. Wir schrieben ihm eine kurze Nachricht, wo er ihn finden würde und machten uns auf den Weg. Es war ein traumhaft schöner Morgen mit fast unnatürlich blauem Himmel und glasklarer, kühler Luft. So, als hätte die Natur beschlossen, mir zu trotzen und sich jetzt erst recht ins Zeug geworfen. Leas Sonnenbrille als Schutz für meine verweinten Augen auf der Nase, starrte ich die ganze Fahrt nur stumm aus dem Fenster.
Das Mädchen hatte sein Versprechen gehalten und Leas kleinen Fiat gegenüber der Einfahrt zur Villa geparkt. Im hellen Sonnenlicht war der Albtraum der vorletzten Nacht so weit weg, wie die Sterne dem Tag. Hinter dem Tor wirkte alles ruhig und friedlich. Die
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