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v204640

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Titel: v204640 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Calaverno
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Parkanlage mit langen Schritten voran, wies im Foyer auf eine Sitzgruppe und wandte sich an eine streng wirkende Dame hinter einem Mahagoni-Tresen. Sie sprachen so leise, dass ich nur einzelne Worte verstehen konnte: Offenbar fragte sie ihn, ob er mit dem und dem Patienten verwandt sei. Der Wortwechsel ging zwischen den beiden hin und her. Sie höflich, aber unnachgiebig, er immer ungehaltener. Schließlich nahm sie einige Papiere aus einer Schublade und führte ihn durch eine Tür mit Milchglasscheibe hindurch, in einen angrenzenden Raum. Absolute Stille. Ich saß auf einem hübschen Samtsofa hinter einem Sichtschirm aus Grünpflanzen und fühlte mich unsicher. Die Atmosphäre atmete vornehmen Scheintod. Um mich abzulenken, inspizierte ich den Zeitschriftenstapel auf dem niedrigen Couchtischchen vor meinen Knien. Keine Exemplare vom Lesezirkel, statt dessen die Vogue, die Madame, Golf-Magazine und einige Lifestyle-Blätter über Reisen, Zweit- und Dritthaus-Ausstattungen sowie Gourmettempel. Gerade informierte ich mich staunend über die Ferien-»Angebote« einer Ayurveda-Farm in Sri Lanka, als jemand zielsicher auf mein Refugium zustrebte.
    »Da sind Sie ja. Kommen Sie bitte mit, Sie werden bereits erwartet.«
    Die Bestimmtheit der zierlichen Schwester mit osteuropäischem Akzent schien mir eine ausreichende Erklärung für die etwas unpassende Nachricht. Sie trug eine strahlend weiße Kittelschürze und ein ebensolches flottes Häubchen auf den künstlich blondierten Locken. Markus hatte sie sicher geschickt, um mich zu holen. Ich legte die Hochglanzbroschüre auf den Tisch zurück und folgte dem Mädchen durch menschenleere Korridore. Entweder lief die Klinik nicht besonders oder alles lag hier in einer Art Dornröschenschlaf. Nicht eine der elegant-abweisenden Türen ließ einen Laut durchdringen, der auf einen Patienten hätte schließen lassen. Sämtliche Fenster an den Enden der langen Gänge standen offen und der warme Geruch eines Sommernachmittags überlagerte den Mix aus Desinfektionsmitteln, frisch gestärkter Wäsche und einem Hauch Kaffee.
    Nach mehreren Richtungswechseln hatte ich die Orientierung verloren. So viele finanziell potente Klienten konnte es doch gar nicht geben, dass sich diese weitläufige Anlage rentierte! Fast wäre ich in die Schwester hineingerannt, als sie unvermittelt stehen blieb, eine Tür aufmachte und mich hindurchschob.
    »Bitte sehr, Sie werden erwartet.«
    Ich blieb stocksteif stehen, während sich die Tür hinter mir geräuschlos schloss.
    »Schönen guten Tag. Ich bin Dr. Medicus, sagen Sie einfach ›Doktor‹ zu mir. Und jetzt machen Sie sich erst mal unten frei …«
    Er wies einladend auf einen stoffbespannten Paravent neben mir. Ich rührte mich nicht, verblüfft wie ich war. Endlich fand ich meine Sprache wieder.
    »Guten Tag, Dr. Medicus. Hier liegt ein Irrtum vor. Ich bin keine Patientin, ich habe lediglich auf einen Bekannten gewartet. Tut mir Leid, die richtige Dame sitzt jetzt wahrscheinlich unten.«
    Das Willkommenslächeln blieb maskenartig in des Doktors Gesicht kleben. Er erhob sich aus seinem Ledersessel hinter dem eindrucksvollen, aber leeren Schreibtisch und machte Anstalten, sich mir zu nähern.
    »Schon wieder eine kleine Widerspenstige. Nun gut, das haben wir gleich. Schwester!«
    Die Blondierte musste hinter der Tür gewartet haben. Ich spürte ihre Gegenwart, noch bevor Dr. Medicus’ Ruf verklungen war.
    »Hören Sie, die Schwester hat mich verwechselt«, versuchte ich erneut zu erklären. »Ich kann gar nicht Ihre Patientin sein, ich kenne Sie überhaupt nicht.« Langsam ging mir seine Begriffsstutzigkeit auf die Nerven. Wie konnte man nur so blöde sein?
    Dr. Medicus schüttelte betrübt den Kopf.
    »Es ist doch immer das Gleiche. Wenn es an die Behandlung geht, versuchen sie, sich zu drücken. Haben Sie den Gurt, Schwester? Wir werden die Patientin ruhig stellen müssen.«
    War das hier ein Irrenhaus und hielt er mich für eine widerspenstige Verrückte? Besser, ich sah zu, schleunigst an die Rezeption zurückzukommen. Ich wich zurück, stieß aber mit der Schwester hinter mir zusammen. Dann ging alles blitzschnell: Ehe ich begriff, was geschah, hatte sie mir einen Gurt mit Klettverschluss um die Taille geschlungen und ein Handgelenk mit einer Armbandmanschette daran fixiert. Ich versuchte, mich loszureißen und mit der freien Hand an die Türklinke zu gelangen. Aber gegen das offenbar eingespielte Paar hatte ich keine Chance. Im Nu stand ich,

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