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v204640

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Titel: v204640 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Calaverno
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Der Hund trottete erschöpft aus dem Wasser, schüttelte sich, dass die Tropfen bis zu uns stoben und schickte Ganymed ein wütendes Bellen hinterher.
    Dann verschwamm meine Wahrnehmung. Ich registrierte nur noch, dass einige Menschen hektisch um uns herumliefen und aufgeregt die Lage debattierten.
    »Verdammt. Was machen wir jetzt mit ihm?«
    »Und was soll mit ihr passieren?«
    »Bringt sie erst mal ins Haus.«
    Jemand griff nach meinem Handgelenk und tastete nach meinem Puls. Ich fühlte mich wie unter einer Glasglocke, erstarrt und von dem allgemeinen Geschehen ausgenommen. Gleichgültig ließ ich die Reflexprüfungen über mich ergehen. Mein Körper zuckte von selbst an den richtigen Stellen. Jemand hob mich hoch und trug mich ins Haus. Ich achtete nicht auf meine Umgebung. Glas drängte sich an meine Lippen, ein scharfes Aroma stieg mir in die Nase und ich schluckte das Zeug, weil es mir zu mühsam schien, mich zu weigern. Ich schloss die Augen, um sie gleich darauf wieder aufzureißen. Graue Augen, in denen die einzige Veränderung ein immer undurchsichtiger werdender Silberschleier war, starrten mich an. Es überraschte mich nicht, plötzlich Wandas Gesicht über mir zu sehen. Sie strich mir mit mütterlicher Fürsorge über Stirn und Wange und sah bedrückt aus. In beschwörendem Tonfall redete sie auf mich ein:
    »Wenn ich das geahnt hätte, dann wäre meine Warnung energischer ausgefallen. Das kannst du mir glauben. Es sah doch nur nach einer kleinen Affäre aus, nichts Aufregendes. Er hätte dich nicht so tief hineinziehen dürfen. Das alles hier hat niemals stattgefunden, verstehst du? Es wird keine Polizei geben. Sei vernünftig und spiele dieses Spiel mit. Bitte. Es ist auch für dich am besten. Es würde dir doch sowieso niemand ein Wort glauben. Denk an deinen Mann. Und an deine Familie. Markus wird davon nicht mehr lebendig. Niemand hat mehr etwas davon. Versuche, alles als Traum zu sehen. Meinst du, du schaffst das?«
    Irre. Noch mehr Spiele. Wir waren alle nur Figuren in einem verrückten Traum. Deshalb redete sie so wirres Zeug. Was wollte sie überhaupt von mir? Schniefend und mit dem Handrücken über ihre verschmierten Augen fahrend, lächelte Wanda mich ganz zauberhaft an. Sie rückte beiseite und machte jemandem Platz, der sich auf meinen Unterarm konzentrierte. Vene stauen, desinfizieren, Kanüle einführen. Er war geschickt, ich spürte nichts von dem Stich.
    »Braves Mädchen. Wirst sehen, es funktioniert. Nicht sofort, aber schneller, als du denkst.«
    Wer sagte das? Der Arzt? Wanda? Eine Krankenschwester? Der Auktionator? Die Witwe?
    »So. In ein paar Tagen sind die letzten vierundzwanzig Stunden für Sie nicht mehr vorhanden. Rückwirkend wird Ihre Erinnerung erst schwächer, dann werden Einzelheiten verschwinden. Machen Sie sich keine Sorgen. Die Amnesie beschränkt sich auf einen festen Zeitraum …«
    Die Stimme entfernte sich und plötzlich wurde es dunkel.

Kapitel 12:
Kehraus
    Als ich aufwachte, fiel mein Blick als Erstes auf meinen Radiowecker auf dem Nachttisch: 9.37 Uhr. Ich rekelte mich genüsslich. Der Duft von frisch gemähtem Gras in Verbindung mit dem Knattern eines Rasenmähers kündete davon, dass Herr Stegmaier seinen Urlaub genoss. Mein Mund öffnete sich zu einem herzhaften Gähnen – und klappte zu, weil beunruhigende Bilder wie Filmausschnitte vor meinem inneren Auge abliefen. Dieser Blödsinn, den ich in letzter Zeit zu träumen pflegte, nahm allmählich überhand. Vielleicht sollte ich mal mit meiner Ärztin reden. Wechseljahre? War ja eigentlich noch zu früh. Aber letzte Nacht …
    Ich bemühte mich verzweifelt, die Flut der irrwitzigen Bilder zu ordnen. Was war passiert? Ich war auf einem merkwürdigen Ball gewesen. Irgendwie wusste ich nicht zu unterscheiden, was Traum war und was Wirklichkeit. Es wurde Zeit, dass Rüdiger zurückkam. Ich vermisste ihn. Sein beruhigend fester Griff, mit dem er mich tröstend in den Arm zu nehmen pflegte, wann immer ich es brauchte. Ich griff nach seinem Kissen und vergrub mein Gesicht darin. Sein Geruch umfing mich und verankerte mich in beruhigender Normalität. Irgendetwas beunruhigte mich dennoch.
    Ich hatte nackt geschlafen. Das war im Sommer völlig normal. Ich sprang so hastig aus dem Bett, dass mir schwindelig wurde und ging in das Bad. Hier lagen keine Wurstpelle, keine italienischen Pumps – nur die Shorts und das rosarote Trägerhemd von gestern Nachmittag. Aus dem Spiegel blickte mir ein ordentlich abgeschminktes

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