Vaclav und Lena
fragen, was er bedeutete und was komisch daran war.
Jessica von der Personalabteilung hatte gesagt: »Die Kids von heute haben alle Sex. Die Frage ist nicht, ob sie es tun oder |162| nicht, sondern ob sie es mit Kondom tun. Abhalten können Sie ihn nicht davon, aber Sie können ihm alle nötigen Informationen geben.« Aber welche Information sollte sie Vaclav geben? Was würde sie ihm sagen? Was möchte sie ihn wissen lassen?
Ryan und Vaclav sprechen noch über Ryans Show und diesen Menschen namens Ozzie.
»Wer ist
Ozzie
?«, fragt Rasia. Sie sagt das so, als sei sie sicher, dass Ozzie ein Drogenhändler ist oder jemand mit Ohrringen oder eine Prostituierte. Und als frage sie sich nur, was davon dieser mysteriöse Ozzie war, doch als sei sie sich absolut sicher, dass, falls Ozzie ein Ort war, es sicher ein schrecklicher Ort und nichts für Kinder war.
»Mama, du würdest das
Ozzie’s
mögen. Es ist ein Coffeeshop in Park Slope, ein unabhängiger Coffeeshop, wo es Tausende von verschiedenen Teesorten gibt. Und abends haben sie kleine Aufführungen, nur im Coffeeshop. Und dann da gibt es da Sofas und andere Sitzgelegenheiten, und man kann rumsitzen und zuhören oder lesen oder sonst was tun. Sie haben auch wirklich prima Kekse. Und
Rugelach
! Wirklich ausgezeichnete Rugelach.«
Rasias Sohn spricht Rugelach wie ein Amerikaner aus. Als wäre es etwas Fremdartiges. Und sie weiß mit Sicherheit, dass sie diesen Ort nicht mögen würde, diesen Coffeeshop voller Mütter, die alle zwanzig Jahre jünger sind als sie, mit ihren schicken Kindersportwagen, diesen Ort, dessen Regeln sie nicht kennt und wo sie nicht die richtigen Worte findet, ein
Mocha
hier und
Venti
da, und keine Ahnung hat, wo man bestellt, wo man zahlt, wo man sich hinsetzt, und sie wird sich wie ein Büffel vorkommen, der in so ein Lokal hereinmarschiert, und jeder |163| wird sie anglotzen, und sie wird verlegen sein, während sie vier Dollar für ein Getränk zahlt, das sie sofort wegschüttet, weil es so furchtbar schmeckt.
»Gibt es da Alkohol?«
»Nein, nein. Es ist ein Coffeeshop. Sie haben nicht mal eine Schankerlaubnis.«
»Okay. Ich kenne diesen Ort nicht.«
Vaclav versteht. Als er noch klein war, haben sie die Orte zusammen entdeckt. Vielleicht hatten andere Kinder eine Mama, die ihnen erklärte, hier kaufst du deine U-Bahn -Karte, und hier gibst du das Rezept dem Apotheker, und hier holst du es ab, und hier stellst du dich an, um ein Paket zu verschicken, doch nach ihrer Ankunft in Amerika haben Vaclav und Rasia alles zusammen gelernt.
Jetzt unternehmen sie weit weniger gemeinsam, und ihr sind die Orte jeweils unbekannt. Das kann einer Mutter wehtun, aber Rasia sagt sich immer wieder, dass das bei den Normaleltern von amerikanischen Normalteenagern nicht so viel anders ist. Allerdings ahnt sie, dass es sehr anders ist.
»Weißt du was, Mama? Du solltest mal mitkommen. Zu
Ozzie’s
, und dann kannst du Ryans Band sehen und mich mit meinem Zaubertrick.«
»Okay. Mal sehen. Ich weiß nicht«, sagt Rasia. Sie will dieses Gefühl nicht, aber sie hat Angst vor dem Gedanken, Vaclav zuzuschauen, wie er den Zaubertrick im
Ozzie’s
vorführt, wo sie sich so fehl am Platz vorkommen wird.
Ein trauriges Schweigen erfüllt das Zimmer, denn Rasia, Vaclav und Ryan wissen, dass Rasia nicht kommen wird. Ryan ertappt sich dabei, dass sie nicht weiß, wohin mit ihren Händen, |164| und sie bringt eine Entschuldigung vor, um sich einen Abgang zu verschaffen.
»Oje, ich muss heim zum Essen. Vielen Dank, dass ich hier sein durfte.« Ryan bleibt selten zum Abendessen bei Vaclav. Sie hat Vaclav erklärt, dass ihre Mutter es gern sieht, wenn sie zum Abendessen zu Hause ist, was er ihr abnimmt, allerdings nicht ganz.
Ryan hat nichts dagegen, mit Vaclavs Familie zu essen. Sie hat etwas gegen die überscharfe Selbstwahrnehmung, das Gewahrwerden des Zeitlupentempos ihrer Hände, ihrer Füße, der Art, wie sie nach etwas auf dem Tisch greift, wie sie Messer und Gabel benutzt, wie sie bitte sagt und danke. Sie hat etwas dagegen, wie Rasia alle bedient, statt es jedem zu überlassen, sich aus den großen Schüsseln auf dem Tisch zu nehmen, es stört sie, wenn sie den Unterschied zwischen dem sieht, was Rasia ihr auf den Teller häuft, und der Menge, die sie essen kann. Sie hat etwas gegen fremdartige Gewürze. Doch das sind Kleinigkeiten.
Wichtiger ist, dass sie sich jedes Wortes bewusst ist, das aus ihrem Mund kommt oder eben auch nicht, wenn sie mit Rasia spricht
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