Vaclav und Lena

Titel: Vaclav und Lena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haley Tanner

Vom Netzwerk:

geworden? Seit wann trägt er Jeans wie amerikanische Jungen, sodass sie nicht wie Kleidung aussehen, die den Körper bedecken, sondern ein Körperteil sind? Noch mehr, als wären sie Teil der Person? Wann ist das passiert? Wann ist sein Haar so struppig geworden wie bei amerikanischen Jungen, und wann hat er aufgehört, es zu kämmen? Wann ist er so groß geworden, und wie das, wo doch seine Mutter und sein Vater gerade mal 1,52 Meter groß sind. Wie konnte er da eine Körpergröße von fast 1,82 erreichen, so als reichte er bis an die Decke? Es muss diese |157| amerikanische Nahrung sein, von der er so viel isst, er ist ständig am Essen.
    »Okay, okay. Ich schaue zu. Was für ein Trick ist das?« Vaclav schaut Rasia direkt an, seine Augen blicken in ihre Augen, und sein Ich dreht sich um diesen einen Anknüpfungspunkt, und er verändert sich, und er wird Vaclav der Großartige.
    Wenn man ihm zuschaut, könnte man denken, er habe sich umgezogen, trage vielleicht einen Smoking mit Schwalbenschwanz. Wenn man ihn dann aber genauer anschaut, dann stellt man zu seiner Überraschung fest, dass er immer noch dieselben Jeans und dasselbe T-Shirt anhat. Man hat das Gefühl, ganz irrational, als sei er plötzlich gewachsen. Man forscht nach der körperlichen Verwandlung und versucht vergeblich herauszufinden, was sich verändert hat. Nichts ist anders, und doch ist alles anders. Er ist Vaclav der Großartige geworden und ist nicht mehr Vaclav, dein Sohn, dein Freund, der Typ aus dem Nachbarhaus. Er ist ein Zauberer, und ein Zauberer braucht eine Bühne. Seine Präsenz füllt den Raum und nimmt das Schlafzimmer weitgehend ein. Dort, wo er einen Augenblick zuvor zu Hause schien, scheint er nun beengt und in der Falle zu sitzen.
    »Ahh, Mutter. Das ist der bisher absolut größte Trick. Vor deinen Augen werde ich frei schweben. Ja, ich, Vaclav, vor diesen schönen Damen«, Vaclav nickt Ryan und Rasia zu, »werde ich meinen Körper, meine ganzen 100 Kilo, in die Luft erheben.« Rasia und Ryan lachen laut los. »Ich korrigiere. Das Publikum hat das Recht zu lachen bei einer solchen Übertreibung. Meine ganzen 83,5 Kilo Menschenfleisch werde ich vom Boden heben, ohne fremde Hilfsmittel, keine Drähte, nichts, nur allein mit meiner Willenskraft. Ich vertraue darauf, dass ein Publikum wie |158| Sie, so offensichtlich der Wahrheit verpflichtet, mir dabei helfen wird, sicherzustellen, dass tatsächlich keine Drähte oder andere Geräte im Zimmer sind.«
    Das Publikum stimmt zu.
    »Und nun muss ich Sie höflich um Ruhe bitten. Ich verlange Ruhe, denn dieses Kunststück erfordert absolute Konzentration«, sagt Vaclav der Großartige.
    Rasia schaut Ryan an, die Vaclav ihrerseits mit großen Augen anschaut und ihre schmalen rosafarbenen Lippen in hingebungsvoller Bewunderung leicht geöffnet hat. Rasia möchte genau das für ihren Sohn, dass jemand ihn bewundert, dass jemand ihn so ansieht, als leuchte er. Sie möchte, dass all das Schwere der Liebe auf der Mädchen-Seite ist.
    Rasia entscheidet bei sich, dass es keine Rolle spielt, ob sie Ryan mag oder irgendein anderes Mädchen. Wie wichtig ist es für eine Frau, die mehr als fünf Jahrzehnte gelebt hat, ein Mädchen zu mögen, das ihren Sohn mit ihren Kleinmädchenhänden überall berührt? Rasia muss die Freundin ihres Sohnes nicht mögen, aber das Mädchen muss Vaclav bewundern.
    Vaclav steht schräg in einer Ecke des Zimmers, sodass sein Profil Ryan und Rasia zugewandt ist. Vaclav schaut auf den Boden, und er atmet tief ein, vier tiefe Atemzüge, und plötzlich atmet er, als wäre er gerade viele Meilen gelaufen oder viele Treppen hochgerannt. Es sieht so aus, als geschähe etwas mit ihm, als würde ihm das Herz zerspringen oder seine Lunge unter dem Druck in Stücke reißen. Der Trick fängt an Rasia zu beunruhigen. Diese Angst ist nicht neu, die hat sie immer bei Vaclavs Tricks. Natürlich weiß sie, dass es nur eine Täuschung ist und nicht real, aber sie weiß, dass er ihm misslingen kann, und |159| jemanden bei einer Herzenssache scheitern zu sehen ist schwer, wenn man die Person liebt, und alles, was Vaclav sein Leben lang immer gewollt hat, seit er laufen und reden kann, ist, ein großer und berühmter Zauberer zu sein. Auch ist Rasia ein bisschen bange, dass der Trick vielleicht wirklich etwas Magisches an sich hat, und wer weiß, was jemandem zustoßen kann, der sich in dieser Magie versucht, er könnte sich ja wehtun.
    Vaclav sieht erschrocken aus. Er blickt noch