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Vaclav und Lena

Vaclav und Lena

Titel: Vaclav und Lena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haley Tanner
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nach unten zu gehen.
    Sie zog sich auf ihr Zimmer zurück und setzte sich auf das Bett, in dem sie geschlafen hatte, das mit den blauen Blumen, und wartete ruhig. Sie fürchtete, jemand könnte hereinkommen und sie fragen, warum sie so still dasaß. Dann würde herauskommen, dass sie zu schüchtern war, um mit den anderen zu reden und sich den anderen zu zeigen, und das wollte Lena nicht, weil sie sich schämte, schüchtern zu sein, und sich schämte, dass sie nicht verstand, was die anderen sagten, und nichts antworten konnte.
    Lena legte sich ins Bett zurück und tat so, als schliefe sie. Auf dem Gang hörte sie Schritte, sie presste ihre Augen fest zu und blieb ganz still.
    Draußen vor der Tür machten die Schritte halt, und jemand öffnete knarrend die Tür.
    »Hier ist Toast, falls du Hunger hast«, hörte Lena, aber sie verstand die Worte nicht und hielt die Augen geschlossen. Vielleicht glaubte die Person ja, sie hätte Lena nicht aufgeweckt, weil sie so müde war, dass sie wie eine Prinzessin in einem |227| Märchen schlief, hoffte Lena, und dann würde man sie wieder in Ruhe lassen.
    »Anna wollte, dass ich dir den Toast bringe, falls du Hunger hast, wach besser auf und iss ihn«, sagte die Person lauter. Lena fing langsam an, die Person zu hassen.
    Die Schritte und der Duft von Toast – er war gebuttert! – kamen ins Zimmer und näherten sich.
    Der Toastteller wurde auf dem Holzboden abgestellt, was ein freundliches Geräusch machte, und dann schüttelte eine Hand Lena an der Schulter. Jetzt konnte Lena nicht mehr so tun, als ob sie noch schliefe. Sie drehte sich um und schaute die Person an. Es war ein Mädchen, das älter und viel größer war als Lena. Sie war schwarz und hatte geflochtene Haarzöpfchen und an deren Enden bunte Haarspangen in der Form von Schmetterlingen.
    »Du hast gar nicht geschlafen«, sagte das Mädchen. »Und kannst du nicht sprechen?« Lena war verlegen, denn sie verstand nichts und wünschte nur, das Mädchen würde nicht mehr weiter mit ihr reden.
    »Habla español?«, fragte das Mädchen, aber Lena sagte nichts.
    »Okay, gut, du redest nicht. Auch egal. Iss den Toast oder lass es. Runter kommst du wohl gar nicht, oder? Deine Lady ist hier.« Lena antwortete nichts. Sie hatte kein Wort verstanden. Das Mädchen schien sich nicht wie Anna oder der nette Mann damit zufriedenzugeben, mit ihr zu reden, ohne eine Antwort zu erhalten, und sie war auf jeden Fall nicht so nett wie die anderen beiden.
    Das Mädchen ging, und Lena aß den Toast. Sie sagte sich, |228| dass der Teller ein triftiger Grund war, nach unten zu gehen. Sie konnte den benutzten Teller nicht einfach auf ihrem Zimmer behalten, und sie wusste, es ist höflicher und auch korrekt, den Teller zurückzugeben und ihn vorher im Abwaschbecken zu spülen. Wie man das machte, wusste sie ja.
    Lena ging aus dem Zimmer auf den langen Gang hinaus. Einige der Kinder waren wieder in ihren Zimmern, und überall standen die Türen offen. Die Zimmer hatten ein oder zwei Betten. Einige waren mit Stofftieren und Plakaten vollgestopft, andere waren fast leer wie Lenas Zimmer.
    Einige der Kinder falteten ihre Kleidung zusammen, andere lasen, redeten miteinander oder spielten.
    Wieder andere lagen einfach auf ihren Betten, mit dem Gesicht zur Wand, so wie Lena.
    Als Lena die lange Treppe hinunterstieg, hörte sie Annas Stimme. Sie redete gerade mit einer anderen Dame, und sie hatten dieselben ernsten Stimmen wie am Vortag, als Anna Lena hier abgesetzt hatte. Lena ging ihren Stimmen nach.
    Sie saßen am Küchentisch, und Anna telefonierte mit ihrem Handy. Vor ihnen lagen Papiere, und Anna war gerade dabei, mit der anderen Hand auf einem Blatt Papier viele Dinge aufzuschreiben. Anna sah Lena in die Küche kommen und sprang auf.
    »Hey, Kleine! Hey! Guten Morgen!« Sie nahm Lena den Teller aus der Hand und stellte ihn auf einen Stapel Geschirr am Abwaschbecken. Zwei Kinder standen davor und spülten zusammen ab, sie schwatzten, schoben sich gegenseitig mit dem Hintern weg und bespritzten sich mit Wasser oder Schaum. Dabei lachten sie, und zwar nicht übereinander, sondern über den Spaß, den sie miteinander hatten.
    |229| Anna führte Lena in einen Raum, der vom Wohnzimmer abging.
    »Das hier ist das Spielzimmer, das gleichzeitig auch als Zeichensaal, Werkraum, Bastelraum und allgemeiner Hobbyraum dient«, sagte sie auf Russisch. »Du kannst hier drin alles machen, was du willst.« Lena sah sich um. An jeder Wand befanden sich Regale mit

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