Vaclav und Lena
Den Männern zitterten regelrecht die Arme, und sie stützten sich kurz am Wannenrand ab und gingen in die Knie. Alle drei hatten viel Kraft.
Nachdem sie Radoslava endlich auf dem Brett hatten und sie wegtragen konnten, kamen sie zur Tür, und einer der beiden Männer, der nicht mit Lena gesprochen hatte, entdeckte sie in der Öffnung und musste tief Luft holen.
»Das darf nicht wahr sein!«
»Mist«, sagte der Mann, der mit Lena gesprochen hatte. »Das ist hier kein Ort für dich, mein Schatz. Warum schaust nicht ein bisschen Fernsehen?« Die Stimme des Mannes war freundlich, er war nicht zornig. Doch Lena verstand den Vorschlag mit dem Fernsehen nicht, sie verstand nicht, dass der Mann sie nicht dort haben wollte, wo sie diese beschwerliche Arbeit ausführten. Sie fand nicht, dass sie woanders hingehen sollte, besonders da der Mann so lieb mit ihr sprach.
Lena trat zur Seite, damit die Männer Radoslava aus dem Bad bringen konnten, und folgte ihnen ins Wohnzimmer, wo sie |221| Radoslava auf das fahrbare Bett hievten und mit einem weißen Laken zudeckten, und zwar ihren ganzen Körper, sogar ihren Kopf und ihr Gesicht. Lena fand das sehr nett. Der Mann, der mit Lena gesprochen hatte, hielt den beiden anderen die Tür auf, und sie schoben das Bett auf den Gang hinaus an all den Leuten vorbei, die genau auf diesen Augenblick gewartet hatten und die ganz nah bei Radoslava Dvorakovskaya sein wollten, um einmal eine echte Tote auf einer Bahre zu sehen.
Der Mann schloss die Tür, schaute Lena an und seufzte, als wäre er sehr müde.
»Ich warte mit dir, bis die Sozialarbeiterin kommt, und das kann eine Weile dauern. Brauchst du etwas?« Seine Stimme klang immer noch lieb, und er schien nicht enttäuscht zu sein, dass Lena ihm nicht antwortete.
»Du hast einen schweren Tag hinter dir, stimmt’s? Willst du einen Snack? Willst du was trinken?« Lena wünschte sehr, sie könnte verstehen, weil sie den Mann gern hatte und hoffte, er würde weiterreden.
»Also, ich hol mir ein Glas Wasser, und ich bring dir auch eins. Warum sollten wir es uns nicht gemütlich machen?« Lena sah zu, wie der Mann in die Küche ging, und sie sah zu, wie er mit seinen starken Armen hochlangte und Schränke öffnete, einen nach dem anderen, so als ob er nach etwas suchen würde. Er fand zwei Wassergläser, füllte sie an der Spüle und reichte Lena eins davon und setzte sich dann auf die Couch. Lena nahm ihr Glas und setzte sich auch auf die Couch. Der Mann griff nach der Fernbedienung und stellte den Fernseher an.
»Ich liebe diese Sendung.« Es war die
Sesamstraße
. »Schau sie mir immer mit meinen Kids an.« Er lächelte und sah auf |222| den Bildschirm. Lena merkte, dass der Mann die Sendung genauso sehr mochte wie sie, denn er zeigte es ihr mit seinem Lächeln.
Lena saß neben dem Mann und dachte, vielleicht ist er jetzt hierhergekommen, um sich um mich zu kümmern. Er war ins Haus gekommen, als Radoslava weggegangen war. Wie selbstverständlich war er reingekommen, hatte nach Wassergläsern in den Schränken gesucht, so als wäre er hier zu Hause. Er tut so, dachte sie, als ob er hier wohnt. Vielleicht wohnte er ja jetzt wirklich hier.
Lena war aufgeregt, mit diesem netten Mann samt seiner netten Stimme und seinem Lachen über die
Sesamstraße
auf der Couch zu sitzen. Ernie und Bert stellten einen Trickfilm mit einem Jungen und einem Mädchen und einer Pflanze vor. Die Pflanze sah sehr traurig aus. Lena mochte diesen Zeichentrickfilm, weil sie ihn verstand. Es kamen zwar englische Wörter vor, dennoch verstand sie, was vor sich ging.
Zuerst rief der Junge das Mädchen und zeigte auf seine traurige Pflanze. Man konnte sehen, dass sie traurig war, denn sie ließ ihre großen grünen Blätter hängen. Dann schaute das Mädchen auf die Pflanze und sagte etwas, und der Junge kam mit einem Wecker wieder. Der Wecker gab ein Wecksignal. Danach redeten sie miteinander, und der Junge ging weg und kam mit einem Hund zurück. Der Hund sabberte und bellte die Pflanze an. Dann wechselten der Junge und das Mädchen noch ein paar Worte miteinander, und der Junge rannte davon und kam mit einer Gießkanne zurück. Er wässerte die Pflanze, und ihre Blätter richteten sich auf. Die Musik drückte aus, dass die Pflanze jetzt glücklich war, und auch der Junge und das Mädchen.
|223| Der Mann mochte den Trickfilm auch, und sie lachten beide zusammen über das Ende, Lena und der nette Mann.
Der nette Mann bekam auf einem Handy, das er in der Tasche
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