Vaethyr: Die andere Welt
– aus Du… Dumannios? – von ihnen Besitz ergreifen. Meine Mutter hat auf Stonegate geputzt. Wäre es möglich, dass dort ein böser Geist in sie gefahren ist? Und wenn er nun Auswirkungen auf das Baby hat?«
»Das kann unmöglich sein, meine Liebe.« Jessica biss sich auf die Lippe. Die einzigen Geister, die auf Stonegate in Faiths Mutter gefahren waren, sagte sie sich, waren Whiskey und Wodka. »Ist es das, was dich bedrückt? Hat Matt dir mit irgendwelchen Geschichten Angst gemacht?«
»Nein. Tut mir leid. Muss wohl an meinen Hormonen liegen.« Alastair kam mit einem Tablett voller Getränke auf sie zu, während Faith fortfuhr: »Ich suche ständig nach Gründen, warum sie so und nicht anders waren, aber es gibt keine – sie waren einfach schreckliche Menschen mit einem Alkoholproblem. Ich möchte bloß eine gute Mutter sein und nicht versagen.«
»Hey, wenn du gerade über Eltern sprichst, die Versager sind, darf ich mich anschließen?«, sagte Alastair freundlich und setzte sich links neben Jessica ins Gras. »Du bist so nett und ruhig, Faith, ich dachte immer, deine Leute seien genauso.«
»Nein, sie waren laut – immer betrunken und haben die ganze Zeit gestritten. Sie nannten mich eine Missgeburt, weil ich in der Schule hart arbeitete und mich mit Rosie anfreundete. Sie dachten, ich wollte was Besseres sein. Gott sei Dank werde ich nie wieder in dieses Leben zurückkehren.«
»Dann ist das also der Grund, weshalb du so still bist – man hat dich immer nierdergeplärrt, was?«, sagte Alastair. »Meine Eltern hätten einfach nie zusammenkommen dürfen. Dad war ein armer Teufel und Mutter hat ständig gedroht, uns zu verlassen. Ich dachte immer, das sei meine Schuld, und wenn ich mich nur besser benehmen würde, würde sie bei uns bleiben.«
»Genau das habe ich auch immer gedacht!«, rief Faith. Matthew kam mit einem Bier in der Hand herbeigeschlendert und lehnte sich nickend an einen Baum, als hätte er die Geschichte seines Freundes schon öfter gehört.
»Aber es spielte keine Rolle, wie gut ich mich betragen habe«, sagte Alastair, »sie ist trotzdem gegangen. Sie hatte lauter flüchtige Männerbekanntschaften und alle außer ihr selbst waren ihr völlig gleichgültig.« Er seufzte und ergänzte dann fröhlich: »Aber ich habe es ihr heimgezahlt. Ich habe ihr Schoßhündchen zerquetscht.«
Faith und Jess starrten ihn an.
»Nicht absichtlich!«, beeilte er sich hinzuzufügen. »Ich muss etwa elf gewesen sein – ich ging zu dem Haus, wo sie mit ihrem zwielichtigen Typen wohnte. Dieser Typ hatte ein Motorrad und ließ mich damit herumspielen – aber es war zu schwer für mich und kippte um. Landete direkt auf diesem verdammten kleinen Terrier. Er war auf der Stelle tot. Mein Gott, hat die gejammert, als hätte ich ihr Baby umgebracht. Nachher wurde mir klar, dass ich sie damals zum ersten Mal überhaupt hatte leiden sehen. Ich sah sie an und dachte: Endlich weißt du, wie ich mich gefühlt habe, als du fortgingst. Ich schwöre, sie hat diesen Hund mehr geliebt als mich. Das hat sie mich auch nie vergessen lassen. Ich habe dann beschlossen, sie einfach in Ruhe zu lassen. Als mein Dad starb, war’s das – ich zog nach England und sah sie nie wieder.«
»Das ist aber eine traurige Geschichte, Alastair.« Faith blinzelte gegen ihre Tränen an.
»Ich finde sie zum Totlachen«, sagte Matthew grinsend. »Okay, ich weiß, dass das nicht lustig ist, aber wenn ich mir das Gesicht des Terriers vorstelle, als das tonnenschwere Motorrad auf ihn drauffällt – also wenn das nicht lustig ist. Das ist unser Alastair – sieht harmlos aus, aber für Haustiere ist er eine tödliche Gefahr.«
»Halt ihn bloß von unserer Katze fern«, bemerke Jessica trocken.
Die Tänzer kehrten zurück, der Umzug war zu Ende. Zwei der Lyon-Schwestern schritten vorbei, sie waren in hauchdünnen roten Stoff gekleidet und genossen ganz offensichtlich die Aufmerksamkeit. Matthew beobachtete sie und meinte höhnisch: »Mein Gott, werden wir uns denn nie von den kitschigen alten Traditionen verabschieden?«
Schon als kleiner Junge hatte Matthew seine Aversion gegen elfische Dinge deutlich gemacht. Ich frage mich, ob wir ihm wohl mit irgendwas Angst gemacht haben , überlegte Jessica, ohne dass wir es überhaupt bemerkten . »Danke – diese kitschigen Traditionen sind Teil unseres Erbes«, sagte sie und trank den Weißwein, den Alastair ihr mitgebracht hatte. »Etwas, womit wir unsere Identität lebendig halten.«
Matthew
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