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Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
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und schlenderte langsam mit ihr über Graspfade, die zwischen Rhododendronlauben hindurchführten. »Sie werden es mir nicht glauben, aber ich habe die Armut kennengelernt, Rosie. Ja, ich kenne Rio, ich bin in Brasilien aufgewachsen. Meine Mutter war Bedienstete auf einer großen Rinderranch und besaß nichts. Der Besitzer lud seine reichen Freunde ein, die dann auch übernachteten, und einer von ihnen schwängerte meine Mutter. Sie gab wirklich ihr Bestes für mich, aber sie war nicht gesund und starb, als ich fünf Jahre alt war.«
    »Das tut mir aber leid.«
    »Das braucht Ihnen nicht leidzutun. Ich hatte großes Glück. Der Mann, der mich gezeugt hatte, kehrte zurück und zog mich buchstäblich aus dem Schmutz. Er brachte mich nach Amerika, zahlte für meine Ausbildung. Seine eigenen Kinder waren schon längst erwachsen und aus dem Haus, wissen Sie, also war ich seine kleine Prinzessin. Ein Heiliger war er natürlich nicht, aber ich vergötterte ihn. Er war mein König. Doch dann wurde er mir genommen.« Sapphire strich sich den dunklen Wasserfall ihrer Haare aus dem Gesicht. »Elfenwesen nahmen ihn mir. Er war ein harter Geschäftsmann, der keine Sentimentalität kannte, und doch war er besessen von geheimnisvollen Wesen, von denen all die Geschichten über Elfen, Engel und Halbgötter rühren. Er war unermüdlich in seiner Suche nach ihnen und kam jedes Mal mit vor Aufregung feurigem Blick zurück, um bald darauf wieder zu verschwinden. Als Heranwachsende musste ich ihm versprechen, dass ich, sollte ihm etwas zustoßen, seine Suche fortführen würde. Ich wollte einfach wissen, was das für Geschöpfe waren, die ihn so faszinierten. Bald schon arbeitete ich für Wilder Jewels und lernte Lawrence kennen. Jedoch …«
    Sapphire hielt wehmütig inne. Rosie glaubte, unter ihrer glänzenden Schale echte Verletzlichkeit aufblitzen zu sehen. »Vermutlich habe ich mich – lange nachdem seine erste Frau verschwunden war, wie ich hinzufügen muss – tatsächlich in den Glanz von Lawrence verliebt. Doch obwohl ich jetzt mit einem Elfenwesen verheiratet bin, sehe ich euch immer noch nur von außen.«
    »Und was sehen Sie?«, fragte Rosie misstrauisch.
    »Da bin ich mir nicht sicher.« Sapphire presste die Lippen zusammen. »Ihr habt so viel Masken, eine alltägliche, eine glanzvolle, eine animalische … eine Maske unter der anderen, aber wer weiß schon, was wirklich darunter steckt? Besteht ihr vielleicht nur aus Masken? Ich habe mir so leidenschaftlich wie jedes Elfenwesen gewünscht, dass die Großen Tore aufgehen und der Verwandlungszauber herausströmt.«
    »Tatsächlich?« Rosie lachte nervös. »Hat Lawrence Ihnen denn nichts erzählt?«
    »Er hat es mir gesagt, aber woher soll ich wissen, dass es die Wahrheit ist? Ich dachte, Sie könnten mir zu Einsichten verhelfen, die es mir ermöglichen, ihm zu helfen.«
    Der Elfenstein schimmerte in Sapphires manikürten Fingern. Rosie fragte sich, welche Geheimnisse sie sich mit dem Stein zu erkaufen erhoffte. »Ich bin eine Vaethyr, ich lebe auf der Oberfläche«, sagte sie. »Ich bin nie durch die Tore gegangen. Ich verfüge über keine verborgenen Geheimnisse oder Zauberkräfte. Ich bin praktisch ein Mensch.«
    »Keine Magie? Komm schon. Ihr habt doch alle diesen Glanz an euch, selbst Sie, Rosie, auch wenn Sie sich dessen nicht bewusst zu sein scheinen. Alles, was Elfenwesen anfassen, wird zu Gold, und sie können sich in Wirklichkeiten bewegen, die Menschen gar nicht wahrnehmen. Keine Zauberkräfte?« Sie hielt ihren Blick unverwandt auf Rosie gerichtet, warm, fordernd und mit der Drohung, ihn nicht abzuwenden, ehe sie irgendwelche Enthüllungen ausplauderte. Doch dann brach sie seufzend ab und ließ ihre Hand fallen. »Verzeihen Sie mir bitte, meine Liebe. Ich hätte Sie nicht so in Verlegenheit bringen dürfen. Sie müssen es mir nachsehen, dass die Faszination meines Vaters derart auf mich abgefärbt hat. Sollte ich Ihnen zu neugierig erscheinen, dann müssen Sie mir glauben, dass dahinter nur Liebe steckt.«
    »So ein Blödsinn«, sagte Sam, als Rosie ihm bei ihrem nächsten Besuch von dieser Begegnung erzählte. Sein Gesicht hob sich in geisterhaft leuchtendem Weiß vor dem dunklen, von Spinnweben beherrschten Hintergrund ab. An diesem Tag manifestierte Dumannios sich besonders heftig und verzerrte den Raum so, dass er einer verfallenen, rußgeschwärzten viktorianischen Fabrik voller Säulen und Bögen und Geister ähnelte. Und wie sehr sie sich auch anstrengte,

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