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Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
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Raubvögel vorgeführt wurden. Dampfmaschinen und Traktoren tuckerten in glanzvoller Würde umher. Unter heißen Zeltplanen welkten Riesenexemplare von Gemüse vor sich hin. Es gab Maibaum- und Moriskentänze, eine Blaskapelle, Imbissbuden, ein Zelt, in dem Ale ausgeschenkt wurde – sämtliche Traditionen eben, die man sich von einer englischen Landwirtschaftsausstellung erwartete.
    Am meisten freute Jessica sich immer auf den Abend, wenn die Hauptveranstaltungen zu Ende waren und die Besucher alle zum Green Man strömten, um den Tanz der Tiere zu verfolgen. Seit Jahrhunderten verkleideten sich Vaethyr mit Masken und Kostümen, um in einer Prozession ums Dorf zu tanzen. Für die Zuschauermenge war es ein Fruchtbarkeitsritus, einer der wenigen, die in England noch lebendig waren. Von der tieferen Bedeutung wussten sie nichts, den Bezug nämlich zur Reise ins Innere der Spirale, zurück zum Herzen, zu ihrem wahren Wesen …
    Aber jetzt drehte sich alles nur noch um die Vorstellungen. Entmutigt nahmen jedes Jahr weniger Vaethyr daran teil. Ohne den wahren Höhepunkt der Parade – die Reise nach Elysium, nachdem die Menschenmenge wieder fort war – fühlte sich alles hohl und leer an.
    Früher hatte Jessica die Lieder gesungen und die Musiker des Tanzes der Tiere angeleitet. Doch nach ihrer Affäre mit Lawrence hatte sie damit aufgehört. Keiner hatte ihr das nahegelegt, am wenigsten Auberon. Nachdem sie ihn derart verletzt hatte, verlor sie einfach die Freude am Singen und daran, sich in der Öffentlichkeit hervorzutun.
    »Verändern sie denn tatsächlich ihre Gestalt, Jessica?« Faiths Frage war so vorsichtig gestellt, dass Jessica einen Moment brauchte, sie als solche zu erkennen. »Die Elfenwesen beim Tanz? Unter ihren Kostümen?«
    Jess lachte. »Das ist das Geheimnis. Weil sie kostümiert sind, weiß das keiner.« Als sie das brennende Interesse in Faiths Augen sah, gab sie nach und antwortete ausführlicher. »Nun, ich habe mich nicht verändert. So gut wie nicht. Wenn du allerdings die Schattenreiche betrittst, könntest du eine Art Veränderung wahrnehmen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Einige Elfenwesen verändern sich dramatisch, andere kaum. Es heißt, diese ›Veränderungen‹ seien verschiedene Aspekte von uns, die zwar immer präsent, aber nur unter gewissen Umständen sichtbar sind.«
    »Etwa in den Schattenreichen?«
    »Genau. Oder vielleicht auch in einem Zustand erhöhter Gemütserregung. Und einige von uns, wie Phyll und ich, verändern sich so gut wie gar nicht, aber auch das ist in Ordnung. Wir sind, was wir sind. Hat Matthew dir denn nichts davon erzählt?«
    Seufzend blickte Faith auf die Wölbung ihres Leibes. »Ich darf nicht darüber reden, weder mit ihm noch mit dir. Er wird wütend, sobald ich es versuche.«
    »Ich weiß, er hält dich davon ab, zu unseren privaten Treffen zu kommen«, sagte Jess. »Das ist nicht richtig von ihm. Doch du solltest dich nicht so von ihm beherrschen lassen. Hab keine Angst, auch deine eigene Meinung zu vertreten.«
    »Das sagt Rosie mir auch immer, aber ich mache mir Sorgen … er könnte mich für eine Schwindlerin halten.«
    Ihr Auftreten hatte nichts mehr von der nervösen, geretteten Waise von einst. Faith hatte sich verändert, sie war ruhiger und unabhängiger geworden. Wenn sie solche Bemerkungen fallen ließ, dann nicht aus ängstlicher Unsicherheit, sondern weil sie darüber gebrütet und sich Gedanken gemacht hatte.
    »Wieso?«, fragte Jess ungeduldig. »Weil du kein Elfenwesen bist? Aber er hat doch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er kein Elfenwesen zur Frau haben wollte. Dafür könnte ich ihm wirklich eine scheuern, denn es ist eine lächerliche Unterscheidung. Oder mir selbst zum Vorwurf machen, dass er eine Frau bevorzugt, bei der er nicht Gefahr läuft, dass sie in der Anderswelt verschwindet oder mit Lawrence Wilder schläft.« Sie sah, wie Faiths Wangen sich röteten. »Wie auch immer, er hat dich erwählt. Also hör bitte auf, dir Gedanken zu machen, meine Liebe. Aber jetzt bin ich diejenige, die dich herumkommandiert. Tut mir leid.« Sie nahm Faith kurz in den Arm. »Ich weiß, dass du bei deinen Eltern viel durchmachen musstest, aber das ist vorbei. Du bist jetzt bei uns.«
    Faith runzelte die Stirn. Darüber hatten sie in der Vergangenheit schon oft gesprochen, aber es nagte an ihr, als gäbe es da etwas, was sie nicht in Worte zu fassen vermochte. »Wenn meine Eltern miteinander stritten, waren sie wie besessen. Als würde etwas

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