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Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
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setzten sich, um zu rasten, und teilten sich Essen und Wasser. Nebel senkte sich auf sie herab und sie spürte, wie die Luft eisig wurde. »Alles okay mit dir?«, fragte Sam.
    »Ich kämpfe mich voran«, sagte sie. »Und was ist mit dir?«
    »Wenn man so hoch oben ist, ist es gar nicht so schlimm. Eher wie in einem Flugzeug über den Wolken.«
    Sie lächelte über seinen flapsigen Wagemut. »Mir ist danach, Lucs Namen in dieses Nichts zu rufen«, sagte sie, »vielleicht kann er mich hören.«
    »Äh, Rosie …«
    Sie stand auf und erhob ihre Stimme zu einem leidenschaftlichen Schrei: »Lucas!« Das Echo prallte von unsichtbaren Oberflächen ab, bis es sich verlor. Das darauf folgende Schweigen war so ohrenbetäubend wie Maschinenlärm.
    »Ich wollte gerade sagen, dass du nicht weißt, was du damit aufweckst«, sagte Sam und sprang auf. »Komm weiter.«
    Der Grat löste sich von der Felswand und führte als hoher, ausgesetzter Pfad weiter. Offenbar war die Schlucht, in der sie gerastet hatten, ein Durchgang, denn dahinter veränderte die Szenerie sich dramatisch. Eine dünne Wolkendecke entzog dem Himmel seine Pracht. Sie waren umgeben von nebeliger Leere voll verschwommener Formen: Bergkuppen, die in Grau und Weiß skizziert waren. Sie befanden sich inmitten einer Wolke.
    »Sibeyla«, murmelte er über ihre Schulter hinweg. Als sie sich zu ihm umwandte, konnte sie ihn kaum sehen. Einen Moment lang schwindelte ihr und sie wäre fast gestrauchelt. Vage Schatten umkreisten sie, wölbten sich über ihnen, verschwanden und tauchten dann wieder auf, um sich gleich darauf durch die Bogengänge unter ihnen zu stürzen.
    Rosie zwang sich, auf dem schlüpfrigen Weg Schritt für Schritt weiterzugehen. Als die Wolke dünner wurde, konnte man die Berge, die höher waren als der Damm, deutlich erkennen, ihre blassgrauen Kuppen waren mit Schnee bedeckt. Bergflanken stürzten ins Bodenlose ab – und erreichten, so weit sie schauen konnte, niemals festen Grund.
    Die Luftschatten waren mannsgroße Raubvögel, die sich dunkel vor dem Weißen abhoben.
    »Das Reich der Luft«, sagte Sam. »Die Heimat meiner Vorfahren.«
    »Der Ausdruck dieser Habichte gefällt mir nicht«, sagte Rosie. »Sie sind leicht groß genug, um – Aah! « Sie ging in die Hocke, als einer von ihnen sich tief herabstürzte und sie fast umgeworfen hätte. Eine kleine Felsnase rettete sie davor, abzustürzen. Die Habichte kreisten unentwegt, spielerisch, aber bedrohlich. »Ruf deine Vorfahren zurück!«, schrie sie.
    Getragen von den Luftströmen unter seinen Flügeln kam der Raubvogel erneut angeflogen. Diesmal holte Sam mit seinem Rucksack nach ihm aus und hätte dabei selbst fast den Halt verloren. Er traf den Flügel des Vogels, sodass er ausweichen musste und ein paar Hundert Meter durch die Luft trudelte. Rosie packte Sam an seiner Jacke und hielt diese umklammert, bis er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte. In Hockstellung sahen sie zu, wie der Vogel aufstieg, um dann vor ihnen zu landen.
    Doch was jetzt auf dem Damm stand, war kein Habicht, sondern ein Mann. Er trug einen Umhang aus grauen Federn und sein Haar war eine schlohweiße Mähne, die ihm bis zur Taille reichte. Sein bleiches Patriziergesicht sah nicht älter aus als das von Sam. Seine Iriden waren von strahlendem Blau und als drittes Auge trug er mitten auf seiner Stirn einen leuchtend blauen Edelstein.
    »Reisende auf dem Damm der Seelen«, sagte er. »Woher kommt ihr?«
    Vorsichtig bewegten sie sich auf ihn zu. Es war gerade genug Platz, um nebeneinander auf dem Grat stehen zu können, und Sam hatte beschützend seinen Arm um Rosie gelegt. »Zeig mir das Regelwerk, das vorschreibt, dass wir deine Fragen beantworten müssen.« Er zog seine Jacke und seinen Pullover am Hals nach unten, um die blasige Spirale zu zeigen. »Siehst du, wir sind gestempelt. Lass uns bitte weitergehen.«
    »In Frieden«, ergänzte Rosie. »Wir kommen nicht in böser Absicht. Wir suchen nach jemandem.« Seine eisige, bedrohliche Art weckte sofort Rosies Abneigung, aber – ob er nun real war oder nicht – sie wollte ihn sich nicht zum Feind machen.
    »Ihr seid Vaethyr«, bemerkte er verächtlich. »Sind die Tore also wieder offen? Für einen Moment hätte ich dich für ihn gehalten.«
    »Für wen?«, fragte Sam.
    »Lawrence. Den schlechtesten Torhüter aller Zeiten. Er hat die Reiche gespalten, und einige sagen, wir werden deshalb alle verwelken und sterben, ich jedoch sage, sei’s drum. Die Spirale wird auch ohne

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