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Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
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Weile sah sie nichts als Rauch, der eine undeutliche Landschaft einhüllte. Vage glaubte sie dunkle unterirdische Städte auszumachen, von hinten angestrahlt durch schwelende Feuer. Sie erschauderte unter der Hitze, die auf ihre kalte Haut traf.
    Nach einer Weile verblasste die plötzliche Nachtschwärze. Ein bernsteinfarbener Schimmer kroch über die Landschaft und sie sah tief unten die Reste einer rosaroten Stadt, über deren eingefallene Türme sich Kletterpflanzen rankten. Der Damm überspannte die Ruinen wie ein kolossaler Viadukt. Es war ein Anblick, der einen zutiefst traurig stimmte. Rosie spürte geradezu den Andrang der in Seide und Pelz gewandeten Geister, das glänzende Haar, das Leuchten der Augen hinter den zeremoniellen Masken …
    Nach und nach stieg die Sonne am Himmel auf und entfaltete ihre Kraft. Sie ließen die Stadt hinter sich, deren zerbröckelnde Ränder nahtlos in einen Wüstenstrich übergingen. Auf beiden Seiten ragten rote Felsen verstreut aus dem lohfarbenen Sand. Am Horizont rauchten Vulkane. Der Damm wurde zu orangefarbenem Sandstein und der Weg wurde breiter, aber zerklüfteter und der solide Hauptweg gabelte sich in ein Gewirr kleinerer Wege, die um große Steine herumführten. »Ich frage mich, ob Ginny jemals hier war«, sagte Rosie. »Das hört sich an wie eine Zeile aus einem Lied: ›Es durchschneidet die Spirale und führt direkt zum Herzen.‹«
    »Das ist der Grund, weshalb die Toten so schnell reisen.« Sams Stimme hinter ihr klang guttural und hatte einen merkwürdigen Akzent, der sich gar nicht nach ihm anhörte. Dieser bizarre Klang erschreckte sie.
    »Was?« Sie fuhr herum. Er war nicht da. »Sam?«
    Unter ihr ertönte ein schwacher Schrei. Mit einem Blick über den Rand sah sie zwei ineinander verschlungene Gestalten, die einen steilen Abhang hinunterrollten – Sam, den ein massiger, sonnenverbrannter Mann mit tödlichem Griff umklammert hielt.
    Einen Herzschlag lang blieb Rosie entsetzt stehen, dann stürzte sie den beiden nach, wobei sie glücklicherweise einen kaum als solchen zu erkennenden schmalen Pfad fand. Sie rutschte auf ihren Hacken hinunter, riss ihre Jeans ein und schürfte sich die Hände auf. Etwa sieben Meter weiter unten bremste ein Absatz mit aufgeworfenem Rand ihren Fall. Keuchend vor Schmerz fiel sie über Sams Füße, bevor der Sandsteinrand sie auffing. Der Aufprall raubte ihr den Atem. Sam lag auf dem Rücken und kämpfte um sein Leben.
    Der Angreifer machte einen verwilderten Eindruck mit seinen zerrissenen, staubigen Kleidern und dem kahlen Schädel, der an eine geröstete Kastanie erinnerte. Knurrend schnürte er Sam mit seinen Fingern die Kehle zu.
    Rosie packte einen mittelgroßen Sandsteinbrocken und schlug damit auf die glänzende Schädelkugel des wild wütenden Mannes ein. Mit einem Grunzen verlor er das Bewusstsein. Sam schob ihn beiseite und rappelte sich nach Luft ringend auf. Der Felsbrocken fiel ihr aus der Hand. »Verdammte Scheiße«, sagte sie.
    »Das«, keuchte Sam und zeigte dabei nach oben, »ist der Grund, weshalb ich keine Höhen mag. Man kann runterfallen.«
    »Woher kam der Typ?«
    »Er sprang mich aus dem Nichts an.«
    »O mein Gott, er ist tot«, stöhnte sie. Der Mann zu ihren Füßen wirkte wächsern und hatte blaue Lippen, als wäre er schon seit Tagen tot. In der Mitte seiner Brust klaffte ein dunkelrotes Loch und sein Hemd war zerrissen und blutig.
    »Ja, aber du hast ihn nicht getötet«, sagte Sam. »Jemand hat ihn erschossen – dürfte schon eine Weile her sein. Wieder eine Täuschung.« Er nahm ihre Hand, woraufhin ihre wunde Handfläche zu pochen begann. »Lass ihn.«
    Sie waren auf einen halb erodierten Seitenweg abgestürzt. Ein äußerst strapaziöser Aufstieg brachte sie zurück auf den Grat. »Hier ist es zum Glück weniger steil«, keuchte Rosie durch ausgedörrte Lippen. »Wenn du in Sibeyla abgestürzt wärst …« Ihr blieben die Worte im Hals stecken.
    »Hey, du hast mir das Leben gerettet.« Er grinste sie an. Staub klebte in seinem blutverschmierten Gesicht. Die Beine fest in den Boden gestemmt hob er den abgewetzten Rucksack hoch. »Verdammter Mist, mir tut alles weh.«
    »Ist irgendwas gebrochen?«
    »Nur das hier.« Dabei hielt er eine Plastikflasche hoch, die einen Riss hatte, aus dem Wasser sickerte. Sie teilten sich den Rest.
    Rosie blickte hinunter auf den Felsabsatz. Dort lag nichts mehr. »Wer war er?« Sie strich ihr Haar zurück und zuckte zusammen, als Sand ihre ohnehin schon wunden

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