Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
Vom Netzwerk:
Typ, oder?«, sagte Lucas ohne jede Häme, merkte aber zu spät, dass seine Bemerkung nicht besonders taktvoll gewesen war. »Ich habe es nicht von dir erwartet. Also, quäl dich nicht.«
    »Nein, du verstehst es nicht. Was soll ich jetzt tun? Jahrelang habe ich mich der Aufgabe verschrieben, die Tore zu durchbrechen. Wofür soll ich jetzt noch kämpfen? Für nichts. Sie sind offen und ich habe Angst, hindurchzugehen. Mein ganzer Lebenssinn hat sich in Rauch aufgelöst. Was verdammt soll ich nun tun?«
    Lucas stöhnte. » Du hast Angst? Was glaubst du, wie ich mich fühle? Begreifst du nicht, mir ist diese Macht zugefallen, aber ich weiß nicht, was ich damit anfangen soll! Du hast keine Ahnung, Jon, was ich da drinnen gesehen habe …« Er hielt inne, weil es ihm die Kehle zuschnürte. Die Erinnerung wurde plötzlich wieder lebendig: die kolossale Statue vor der Felswand. Wie sie langsamen ihren Kopf gedreht und ihn angesehen hatte … Ihm stockte der Atem, als er plötzlich vor sich sah, wie er fiel.
    Jon starrte ihn entgeistert an. »Was ist?«
    »Ich sah Brawth.« Luc hatte Mühe, die Statue zu beschreiben, und seine Worte reichten nicht aus. »Estel tat es ab als etwas, das schon immer da war. Estel, die Sternendame … der erste bewusste Funken aus dem Abgrund … die Göttin, die das Ende aller Göttinnen ist … Sie war da, aber selbst sie hat es nicht bemerkt.«
    »Ich weiß, wer Estel ist«, sagte Jon. »Aber man begegnet ihr nicht einfach so. Bist du dir sicher, dass du das nicht geträumt hast?«
    Lucas lachte ungeduldig. »Wenn ich auf dem Trip bin, erzählst du mir, es sei real, und wenn ich etwas Reales sehe, dann sagst du mir, ich träume. Entscheidend ist doch, dass nicht mal Estel die Gefahr erkannt hat, genauso wenig wie der Spiral Court. Deshalb ignorieren sie es. Weil ihnen gar nicht bewusst ist, dass Brawth jeden Moment aufwachen kann. Er wartet nur darauf, dass die Großen Tore aufgehen, und Lawrence hat ihn nur zurückgehalten, indem er die Tore verriegelt hat … o mein Gott, was habe ich nur getan?« Er warf einen Blick hinaus auf den eisengrauen Himmel. »Dieser Schnee, Jon, ist der Anfang. Es ist der Eisriese, dessen Atem durch das Lych-Tor dringt, während er langsam erwacht. O mein Gott, ich muss ihn aufgeweckt haben – er hat mich gesehen –, ich muss das Lych-Tor schließen, aber ich weiß nicht wie!«
    »Hör auf, Luc«, sagte Jon. »Du machst einen ganz verrückt. Du bist doch gerade erst aus dem Koma erwacht. Steigere dich da nicht hinein. Du musst dich ausruhen und darfst nicht mehr daran denken.«
    »Was schlägst du vor?«, erwiderte Luc. Sein Herz schlug viel zu schnell, das Gefühl der Gefahr war so übermächtig, dass er es nicht ausdrücken konnte. »Sollen wir Scrabble spielen?«
    »Nein, aber wir könnten über die Zukunft reden. Wir könnten wieder mit der Band auftreten.«
    »Und im Drogennebel herumfläzen. Ich kann das nicht mehr. Es hat uns nur den Geist abgetötet, sonst nichts!« Früher einmal war ihm Jon glamourös und weise vorgekommen, ein Guru; jetzt aber sah er verängstigt und ganz klein aus, hilflos. Luc war ihm weit vorausgeeilt, in ein Reich, das er nie hatte sehen wollen. Trotz der Hitze zitterte er. Er sah Albins kaltes weißes Gesicht und hörte ihn flüstern: Die Kälte von Brawth wird dir ins Gehirn stechen und dir die Haut von deinen Knochen lösen . »Das ist real, Jon. Ich habe etwas Reales gefunden, aber du glaubst mir nicht.«
    »Ich will dir nicht glauben«, sagte Jon sturköpfig. »Es ist zu viel. Du machst dir damit doch nur selbst Angst, und ich weiß nicht, was ich deiner Meinung nach sagen soll … Hey, wohin gehst du?«
    Als Lucas sich erhob, packte Jon ihn am Ärmel seines Morgenmantels, aber Lucas riss sich los. Ihm war eiskalt und schwindelig und er fühlte sich mit diesem entsetzlichen Wissen sehr einsam. »Selbst wenn du mir glauben würdest, könntest du doch nichts tun. Es ruht alles auf meinen Schultern. Wer wird mir zuhören außer Lawrence?«
    Faiths Kopf brach durch die Wasseroberfläche. Seltsam, dass sie selbst beim Schwimmen – wenn sie in Wassernixengestalt durch den Teich am Wasserfall schoss, wobei die mit Schwimmhäuten versehenen Hände sie pfeilschnell abtauchen und wenden ließen – noch immer den Nachhall der Oberflächenwelt spürte. Plötzlich auftauchende Bilder von Schnee, schwache Stimmen, die sich verflüchtigten, ehe sie sie einfangen konnte. Auf Erden hatte sie häufig kurze Visionen von der Spirale gehabt.

Weitere Kostenlose Bücher