Vaethyr: Die andere Welt
vieles in meinem Leben wieder zurechtgerückt haben, aber das kannst du nicht. Für dich bin ich ein Dreckskerl, nicht wahr? Aber das, wofür Dad mich hält, ist tausendmal schlimmer.«
»Für mich bist du kein Dreckskerl«, sagte Sam mit einem Seufzer. »Du bist so blöd wie ein Kleiderständer, aber Sapphire – sie wusste genau, was sie tat. Es gibt etwas, was du von ihr nicht weißt. Ich habe für Dad einen Hinweis hinterlassen und es sieht ganz danach aus, als hätte er ihn gefunden.«
»Ich weiß überhaupt nicht, wovon du sprichst.«
»Komm, lass uns reingehen und hören, was Madam selbst dazu zu sagen hat, was meinst du?«
Jons Kopf fuhr herum und er stieß sich von der Wand ab, wobei er fast über seinen Gipsfuß gefallen wäre. »O mein Gott, da ist Dads Wagen. Lass uns reingehen, schließ die Tür ab!«
Sam packte ihn am Arm und zog ihn ins Haus. »Geh rein und halte dich still. Ich werde mit ihm sprechen.«
Sam sah das glatte schwarze Dach hinter der Hecke vorbeifahren. Als er das Tor erreichte, beobachtete er, wie sein Vater den Kopf drehte und sein bleiches Gesicht und die ausdruckslosen Augen auf Oakholme richtete. Die Limousine fuhr jedoch weiter. Sam ging nach draußen und durchs Tor und sah, wie der Wagen weiter unten, wo die Straße breiter wurde, wendete. Dann kam er genauso langsam und unheimlich angeschlichen, wie er vorhin vorbeigefahren war.
»Dad!«, schrie Sam und winkte. Er rechnete damit, dass sein Vater anhalten würde, und wollte ihn abfangen, bevor er ins Haus stürmte. Lawrence’ eisiger Blick glitt über Oakholme und das Autowrack und dann über Sam. Sein Ausdruck sagte alles. Abgrundtiefe kalte Verachtung.
In dem Moment, als Sam dachte, er würde einfach vorbeifahren, bremste er. Die elektrischen Scheiben glitten einen Spalt auf. »Dann seid ihr also alle hier«, sagte er. »Sogar du.«
Die Luft roch nach Schneeschmelze. Ihr Atem dampfte. »Sie hätte es dir nie von sich aus erzählt, Dad«, sagte Sam eindringlich. »Ich habe das Foto liegen lassen – damit sie es zugibt –, ich hätte nie gedacht, dass du –« Er deutete auf den kaputten Wagen.
»Es hat dich bestimmt befriedigt, diesen Verrat zu entdecken und mir die Abgründe meiner eigenen Dummheit vor Augen zu führen«, sagte Lawrence.
Sam biss die Zähne aufeinander. »Nein. Das war nicht meine Absicht. Ich habe sie gewarnt und ihr gesagt, sie solle es dir freiwillig erzählen. Dass du derart ausrasten würdest, damit habe ich nicht gerechnet. Am besten kommst du erst wieder, wenn du dich beruhigt hast.«
Lawrence wandte seinen Blick ab und sagte leise: »Ich habe kein Interesse daran, mit irgendjemandem zu sprechen. Sag ihnen allen, sie sollen zur Hölle fahren.«
»Hat sie sich dir erklärt?«
»Was sie sagte, hat gereicht. Sie hat mich aus Rache geheiratet und, bei Gott, die hat sie genommen. Während des Schneesturms rang sie mir das Geständnis ab, Barada erschossen und getötet zu haben. Jetzt erzählt sie mir, sie plane schon seit Jahren, mir die Mine und die Firma wegzunehmen. Darauf kann ich nur sagen, es gibt nichts mehr wegzunehmen – die Mine ist tot und die Firma verkauft!«
»Verkauft?«
»Also hab ich ihr gesagt, dass sie nichts mehr tun könne, um mich zu verletzen, und sie antwortete, dass es das sehr wohl gebe – und es bereits geschehen sei.« Qual und Ekel verzerrten Lawrence’ Gesicht. »Sie, mit meinem eigenen Sohn – ich kann nicht mal seinen Namen aussprechen. Barada sagte einmal zu mir, er kenne einen Feentyp, der stehle und raube – tue dies aber nur jenen an, die es verdient haben, weil sie mit ihrem Besitz so sorglos umgegangen sind. Woher sollte ich wissen, dass er von seiner Tochter sprach? Mein Fehler, dass ich ihr vertraut habe.«
»Nein – du warst einsam –« Sam legte seine Fingerspitzen auf die harte Kante der Scheibe. Er konnte seinen Vater nicht ewig im Dunkeln lassen, was die Tore und was Ginny betraf. »Wir müssen miteinander reden, Dad.«
»Es gibt nichts zu sagen.« Lawrence’ verschlossene Miene verhärtete sich noch mehr. »Natürlich ist sie ein Teil davon – ein Teil von Barada, ein Teil von Brawth. Natürlich. Der Schatten lag mit mir im eigenen Bett.« Er warf einen Seitenblick auf Sam, sodass Sam das Weiße seiner Augen sah. »Mein Feind nährt und saugt jeden aus und wird immer mächtiger. Ihr seid alle Teil davon. Ich möchte keinen von euch mehr unter meinem Dach haben. Kapiert? Haltet euch fern von mir. Ich verdamme euch alle in den
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