Vaethyr: Die andere Welt
Lawrence einfach unersetzlich. Ich belog ihn nicht hinsichtlich der Identität meines Vaters, Lawrence’ Interesse an mir war gar nicht groß genug, um mich danach zu fragen.«
Jessica sah sie verwundert an: »Dann hast du ihn also geheiratet … um Rache zu nehmen?«
»Mehr als das. Um den Traum meines Vaters zu erfüllen. Um die Obsession zu verstehen, die ihn mir geraubt hatte. Um die Elfenstein-Mine in Besitz zu nehmen, die ihm von Rechts wegen gehörte. Ich weiß, es war nicht richtig von mir, Lawrence zu hintergehen, aber ich habe aus Liebe und Passion gehandelt. Wohingegen Lawrence immer nur aus Kälte und egoistischer Arroganz handelt.«
Bei diesen Worten spürte sie, dass ihr das Mitgefühl aller, Sam ausgenommen, sicher war. »Dann hast du also geplant, dass Lawrence für alles herhalten muss, betrachtest dich aber dennoch als die geschädigte Partei?«, sagte er. »Erzähl mir nicht, dass es ein Fehler von mir war, ihm das kleine Foto von dir mit deinem Daddy hinzulegen.«
»Ich konnte den Schein nicht ewig aufrechterhalten. Aber ihr müsst verstehen, dass Lawrence, als er meinen Vater vernichtete, meine Welt zerstört hat.«
Jessica fragte: »Hast du ihn geliebt? Lawrence, meine ich.«
Sie lachte. »Ich war dabei, dummerweise – bis er meine Gefühle getötet hat, wie er meinen Vater tötete. Im Bett allerdings ist er mehr als zufriedenstellend – wie du ja selbst weißt.« Jessica errötete zu Sapphires Genugtuung. »Als wir ein Liebespaar wurden, konnte er nicht genug von mir bekommen … aber ich hätte nie vermutet, dass er so schnell erkalten würde. Mir war nicht klar, dass er verrückt war. Ein Teil von mir war sogar so naiv zu glauben, ich könnte ihm verzeihen und ihn retten. Er selbst dachte, ich könnte ihn retten. Aber das kann keiner.«
»Nein«, murmelte Jess und senkte ihren Kopf.
»Er trägt so viel Schuld, so viele Albträume mit sich herum. Als ihm klar wurde, dass seine strahlende neue Frau ihn nicht erlösen konnte, war das ein harter Schlag für ihn. Er gab mir die Schuld. Das hatte ich natürlich auch verdient, aber seltsamerweise tat es doch weh. Er hat kein Herz – nur ein verzehrendes Loch in seiner Brust. Er wollte eine duldsame Menschenfrau, die seine Söhne bemutterte, damit er derentwegen keine Schuldgefühle zu haben brauchte. Stattdessen bekam er mich. Vermutlich waren wir beide enttäuscht.«
»Was wirst du jetzt tun?«, erkundigte Phyllida sich ernsthaft besorgt.
»Überleben, wie immer«, antwortete Sapphire und genoss einen kleinen Triumph, weil sie immerhin Phyll und Comyn für sich gewonnen hatte. »Ich verlasse Lawrence so, wie ich gekommen bin – mit leeren Händen.«
Sie sah lächelnd in Sams feindselige blaue Augen. »Hältst du deinen Vater tatsächlich für so ehrbar? Ich sagte ihm, ich werde ihm in der Scheidungsvereinbarung die Mine und alles andere wegnehmen. Da lachte er und erwiderte, er sei nie von Virginia geschieden worden. Denk von mir, was du willst, aber auf diesem Niveau zynischer Täuschung kann selbst ich nicht konkurrieren. Ich sollte ihn vielleicht wegen Bigamie verklagen. Er wusste die ganze Zeit, dass wir nicht rechtmäßig verheiratet waren.«
Rosie saß auf ihrem Bett, das Kinn auf den hochgezogenen Knien, einen Daumen zwischen den Zähnen. Sie konnte sich nicht entspannen. Ihr heutiger Besuch bei Lucas hatte sie aufgewühlt. Draußen wusch Eisregen den Schnee aus.
Phyllida hatte Sapphire mit auf den Hof genommen und Jon war mitgekommen trotz aller Versuche Sams, es ihm auszureden. Dann war Sam überstürzt nach Stonegate aufgebrochen, um mit Lawrence zu reden. Oder fragte sich Rosie, um nicht mit mir reden zu müssen? Er hatte so gut ausgesehen, ganz in Schwarz, mit der Lederjacke, die er am Tag ihrer Hochzeit getragen hatte, und sie hatte ihn dabei ertappt, dass er ständig zu ihr herschielte … aber dann war er gegangen, fast ohne ein Wort mit ihr gesprochen zu haben.
Sie hatte das Gefühl, dass er ihr entglitt. Ich weiß, dass wir uns schandhaft benommen haben, überlegte sie . Es ist für alle peinlich, wenn er bei uns herumhängt. Wenn er weggeht, können die Wunden heilen und das Leben kann weitergehen. Das mag ja alles richtig sein, na wenn schon. Mir ist es gleich. Ich möchte einfach nur seine Arme um mich spüren .
Sie schaute auf die Uhr. Es war fast Mitternacht und alle anderen lagen im Bett. Sie hatte an diesem Abend schon mehrmals den Versuch unternommen, Sams Nummer mit ihrem Mobiltelefon anzurufen, doch
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