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Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
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unter der Galerie im Obergeschoss, befand sich die Tür zu Lawrence’ Arbeitszimmer. Dort sah er eine gebückte Gestalt herumschleichen.
    Sam war von Natur aus nicht ängstlich, aber der Eindringling erschreckte ihn. Obwohl er nur eine dunkle Form vor dem Dunkel ausmachen konnte, war es doch eindeutig nicht sein Vater. Die Gestalt war viel zu massig, und wann hätte Lawrence jemals Sportsachen getragen? Ein Trainingsanzug und eine schwarze Wollmütze machten den Mann fast unsichtbar – wären da nicht die grünen Leuchtstreifen seiner Turnschuhe gewesen.
    Sam beobachtete ihn mit grimmiger Faszination. Der Fremde kämpfte mit einer Tasche und fluchte, als er versuchte, sie sich über die Schulter zu werfen. Ständig rutschte der Riemen am synthetischen Material ab. Laut schnaubend und weiterhin mit der Tasche kämpfend sah er sich um und ging dann auf die Treppe zu, als wäre er der Herr des Hauses.
    Warum hatten die Disir nicht ihre Arbeit gemacht? Weil … dies hier ein Mensch war, der für ihre Augen unsichtbar blieb.
    Sam hatte keine Angst. Er war wütend. Wenn dieser Trottel dachte, er werde tatenlos zusehen, wie er sich selbst bediente, dann sollte er sich gewaltig täuschen. Der Eindringling war jetzt am Fuß der Treppe angelangt und hielt inne, um die Stufen mit dem bleistiftdünnen Strahl seiner Taschenlampe zu erkunden. Dann ließ er die Tasche zu Boden gleiten und begann nach oben zu steigen.
    Sams Wut sprang um in beschützenden Zorn. Heutzutage brachten Einbrecher schon wegen zehn Pfund Leute in ihren Betten um. Und sie machten auch nicht halt vor Vergewaltigung, dem Gebrauch von Schusswaffen oder Geiselnahme. Er musste sich um jeden Preis zwischen diesen Mistkerl und seine Familie stellen.
    Geräuschlos bewegte er sich auf den Fuß der Treppe zu und beobachtete den Mann, der nach oben stieg. Ein paar Herzschläge lang starrte er auf den formlosen Rücken. Dann räusperte er sich. Der Einbrecher blieb wie erstarrt stehen, drehte sich um und spähte in die Dunkelheit.
    Er war jung, höchstens zwanzig, ein Kerl mit einem vor Aufregung schweißnassen Knollengesicht. Sein Kinn war unrasiert, die Augen glanz- und seelenlos. Der billige Trainingsanzug knisterte statisch in der Dunkelheit, die dunkle Wollmütze war fast bis zu den Augenlidern heruntergezogen.
    »Hübsche Schuhe«, sagte Sam.
    Der Eindringling baute sich erschrocken, aber gefährlich selbstsicher vor ihm auf. »Du Wichser«, sagte er und richtete den Strahl der Taschenlampe auf Sams Augen. Seine freie Hand glitt in eine Tasche, und die Form, die sich durch den Stoff abzeichnete, hätte ein Hammer, eine Waffe oder sonst etwas sein können.
    »Ich würde an deiner Stelle nicht da hochgehen«, sagte Sam blinzelnd.
    »Verpiss dich.«
    »Glaub mir. Mein Vater hat unter seinem Bett eine Waffe liegen.« Er rief: »Dad!« – nicht laut genug, um jemanden aufzuwecken, aber laut genug, um den Dieb in Panik zu versetzen.
    Finster sah er Sam an, schielte nach seiner Tasche und bemühte sich dann offenbar um Schadensbegrenzung. »Geh mir aus dem Weg«, krächzte er. Seine Lippen legten große Schneidezähne frei. Sein Blick spiegelte Verzweiflung, aber auch Gewaltbereitschaft.
    »Du gehst nirgendwohin, Kumpel«, sagte Sam.
    »Geh mir verdammt noch mal aus dem Weg oder ich mach dich fertig.«
    »Mit einer Taschenlampe?«
    »Hiermit.« Die rechte Hand des Einbrechers tauchte aus den Falten seines Trainingsanzugs auf und darin hielt er ein großes Tranchiermesser.
    Die Treppe war zu breit, Sam konnte sie nicht blockieren. Doch seine Wut war so groß, dass er es ungeachtet der Verletzungsgefahr trotzdem versuchte. Als er einen Schritt machte und die Arme ausbreitete, stürzte der Mann sich auf ihn.
    Der Aufprall warf Sam zu Boden und sie rollten zusammen weiter. Der stinkende Atem des Angreifers drang ihm laut ins Ohr. Sam spürte die Messerspitze auf seinem Bauch und packte das Handgelenk, das die Waffe hielt. Der Arm war unglaublich stark und zerrte heftig, um das Messer zurückzugewinnen. Schon spürte Sam, wie die Schneide näher kam, die Spitze sein Hemd berührte, ein kaltes Brennen auf seinem Unterleib.
    Sam schlug seinen Kopf gegen die Nase des Einbrechers. Warme Tropfen spritzten. Als der junge Mann reflexartig zusammenzuckte, drehte er ihm das Handgelenk um und entwand ihm das Messer.
    Sie rangen miteinander, versuchten in einem schwerfälligen Gewirr von Gliedmaßen Schläge auszuteilen. Obwohl er entwaffnet war, wollte der Dieb nicht aufhören.

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