Valadas versinkende Gaerten
wofür ich Männer bezahlen soll, die nicht gebraucht werden«, erwidere ich achselzuckend, »zudem sie sich ja selbst schadlos halten.«
»Aber jetzt werden sie doch gebraucht!« Der Emir schreit fast. »Sollten sie mich nicht verteidigen?«
»Gegen wen?«, frage ich behutsam. »Gegen den Nachfahren des Propheten? Das kann kein guter Moslem wollen.« (Dass denen die Nachkommen des Propheten sowieso egal sind, behalte ich für mich. Sie haben direkte Beziehungen zu Allah. Meinen sie.)
Abd Al Malik starrt mich an. »Bist du für mich oder gegen mich?«, fragt er. Es klingt nicht wütend. Eher ängstlich.
Ich lächele. »Eure Hoheit weiß, dass ich Ihr ergebener Diener bin.«
»Also . . .«
Ich überlege schnell. Keinen müden Dirhem aus der Staatskasse werde ich ausgeben für eine aussichtslose Sache. Dieser Herrscher
ist
nicht zu verteidigen.
Aber ist es gut, wenn ich den Bärtigen jetzt die Stadt noch einmal preisgebe? Es ist unruhig in Cordoba seit den letzten Überfällen. Und die Salzsteuer war schlicht und einfach ein Fehler. Ibn Nusair musste dafür büßen. Wer weiß, wer als Nächster dran ist . . .
Andererseits: Ehe die Berber mir auch noch rebellisch werden und sich gegen die Regierung wenden . . . Wie sagte der Emir eben: Sie waren nicht sehr höflich. Nein, Palastrevolten können wir noch weniger gebrauchen.
»Sorgt Euch nicht, Hoheit!«, sage ich und lächele weiter gewinnend. »Der Imam wird in der Freitagspredigt die treffenden Worte finden.«
Möge die Stadt sich schützen, wenn sie rechtzeitig Bescheid weiß.
32
KASMUNA.
Der Abend ist da. Die Sklaven entzünden überall die Öllampen auf den hohen Sockeln und die Kerzen rundum im Haus.
Ich gehe hin und her in diesem meinem Raum, auf meinen Füßen, die, inzwischen abgeheilt, wieder in Schuhe aus weichem Saffianleder passen.
Durch die offenen Fenster kommen die großen Nachtfalter herein, umschwirren die Lichter, verbrennen sich die Flügel, verenden zuckend am Boden. Immer mehr und immer mehr. Schon liegt da eine dünne, graue Schicht von kleinen Leichen. (Vielleicht ist dies ein Jahr, wo sie sich besonders üppig vermehrt haben.) Sie kommen, sie leben, sie sterben. Ich schiebe sie mit dem Fuß beiseite, und irgendwann ist ein Sklave da und kehrt sie weg.
An diesem Abend soll Muhdja mit mir Schach spielen. Die Prinzessin hat sich das ausgedacht. Noch immer hofft sie wohl, dass ich wieder zu der werde, die ich einmal war. Wenn sie wüsste, was in meinem Kopf für Unrat haust!
Meine Versuche, erneut im Leben anzukommen, sterben so schnell dahin wie diese Nachtfalter.
Wenn ich ein Buch zur Hand nehmen will, fällt mir die Bibliothek meines Onkels Eli Ibn Mosche ein, aus der ich die wertvollsten Stücke zusammenstellen sollte für ihre Rettung, und das Gedichtbändchen, das ich auf der Unglücksreise dabeihatte,und in meinem Kopf beginnt es zu rauschen und zu brausen. Nein!
Versuche ich, ein Schreibrohr zu greifen und etwas zu Papier zu bringen, bekomme ich eine Art Krampf in meine Finger und fahre zurück. Es geht nicht.
Inzwischen habe ich mich ein-, zweimal hinausgewagt in den grünen Innenhof Valadas, bin hinausgetreten aus dem Schatten der Arkaden ins Grün von Myrten, Lorbeer- und Zitronenbäumen, deren Früchte golden hervorleuchten, habe es gewagt, mit zaghaften Schritten die große Palme zu umkreisen, die den Mittelpunkt dieses Areals bildet – aber dann sind mir die zerstörten Gärten Granadas eingefallen, und beim Rieseln der Brunnen hier war mir der Löwenbrunnen dort gewärtig, in den ich meine blutigen Hände tauchte.
Ein andermal habe ich mich, vorsichtig, wie ein Dieb, der sich anschleicht, dem Podium genähert, von dem aus Valada ihre Gedichte vorträgt. Manchmal durfte auch ich dort oben etwas rezitieren. Ich stehe, das Kinn erhoben, und schaue diese Plattform an, und mir schwindelt bei dem Gedanken, jemals wieder vor Menschen aufzutreten und zu ihnen zu sprechen. Für mich sind ihre Gesichter nichts als Masken, hinter denen sich ein reißendes Untier verbirgt – selbst wenn sie lächeln. Und so flüchte ich Hals über Kopf zurück nach drinnen, wo mich schützende Wände umgeben . . .
Nichts geht mehr. Selbst Valadas zaghafte Versuche, mich zu streicheln oder an der Schulter zu berühren, ertrage ich nur mit geschlossenen Augen. –
Aber ich bin ja bereit, ihr Bemühen mit Entgegenkommen zu bezahlen. Und so habe ich denn wirklich ihr Perlenband um meinen dürren Hals gelegt. Lediglich, um ihr das
Weitere Kostenlose Bücher