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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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    Der Imam hat gepredigt. Es war zu erwarten.
    Mit flammenden Worten hat er sich an die Rechtgläubigen gewandt, hat seine Stimme zu einer Geißel gemacht, die hinfährt über die gebeugten Rücken der Gotteskrieger, die da am Boden liegen, den Kopf zwischen den Händen, um Allah anzubeten. Die Geißel seiner Stimme hat sie gemahnt, nicht nachzulassen in ihrem Eifer für den wahren Glauben, unnachsichtig zu verfolgen, was wegführt von den Geboten Gottes, auszurotten ohne Gnade Laster und Bosheit, aber auch Nachlässigkeit im Befolgen der Regeln des Islam, wie Versäumnisse des Gebets oder der religiösen Waschungen. Unerbittlich, so hat der Imam die Rechtgläubigen aufgefordert, sind die Vergehen jener Muslime zu bestrafen, die ihr Leben in Luxus und Schwelgerei verbringen, ihren Reichtum verprassen, statt ihn der Moschee und den Männern des wahren Glaubens zu überantworten.
    Darum, so predigt der Imam, sind zunächst die Gegenstände einzusammeln, die ihnen ermöglichen, ihren Verirrungen nachzugehen: Gold und edle Steine, kostbare Gewänder und üppige Polster, Bildwerke vor allem und alles, was nicht zur Ehre Allahs genutzt wird, oder auch, sie zu vernichten. Aufzuspüren und zu bestrafen sind vor allem auch jene Gefäße der Unkeuschheit und Sittenverderbnis, die Muslime immer wieder vom rechten Weg abbringen. Wer eine Sittenlose auftreibt, der soll sie unnachsichtig züchtigen und ihr klarmachen, wo ihr Platz in der Welt ist.
    So, das verkündet der Imam, soll man mit jenen verfahren, die sich vom rechten Glauben abwenden. Aber genauso brennend ist die Pflicht zu erfüllen, gegen Ungläubige vorzugehen, gleichsam in Heiligem Krieg ihnen zu zeigen, dass nur der Islam bestehen wird bis ans Ende aller Tage.
    Darum, ihr Muslime, so sein Ruf, geht hin und verrichtet das Werk der Reinigung in dieser Stadt! Inschallah. Gott will es.
    Nach einer solchen Predigt und nach dem Gebet und Koranzitat trennen sich die Gläubigen in der Mezquita. Viele beeilen sich, nach Haus zu kommen und ihre Türen zu verschließen, und vor allem die Frauen beeilen sich, nach Haus zu kommen.
    Aber jene Männer mit großen Bärten und dichten Kopftüchern versammeln sich zunächst vor der Moschee, verteilen sich nach hier und dort, und irgendwann sind Äxte und Knüppel in ihren Händen, und sie ziehen los.
    Bumm. Bumm. Bumm. Schläge mit den Stielen der Äxte aufs Holz der Türen. Hier und da.
    KASMUNA.
    Bumm Bumm. Bumm.
    Das kenne ich.
    Es sind die Schläge. Die dumpfen, rhythmischen Schlägemit den Holzknüppeln und den Stielen der Äxte an Türen und Mauern.
Sie
sind los. Sie, wer auch immer. Die mit den mörderischen Dingen in Händen, mit denen sie stechen, schlagen, zerfetzen. Die mit den dröhnenden Stimmen. Die Vernichter, die Zerstörer. Ob sie nun große Bärte im Gesicht tragen oder in Lumpen daherkommen, das ist gleich. Sie wollen wüten, sie wollen töten.
    Es kommt näher, es schwillt an, es schwillt ab. Unausweichlich. Wie konnte ich auch nur einen Atemzug lang glauben, man könne es verbannen, könne in diesem schönen, trügerischen Kosmos leben. Da ist es. Ich kenne es sehr genau. Viel zu genau.
    Und natürlich dringt es auch hier ein.
    Kein Entrinnen.
    Es ist so nah . . .
    In meinem Kopf hallen die Töne wider wie in einer hohen Kuppel, vervielfachen sich, kreuzen sich, schwellen an, gehen ineinander über, werden immer lauter, wollen meinen Schädel sprengen.
    Und die Trommeln Granadas, wie ich sie gespeichert habe in verschlossenen Kammern, wo ich ihre misstönenden Klänge mit Mühe verborgen hielt bis dahin, sie erwachen von diesem Rhythmus, wollen dabei sein und rütteln stürmisch an den Pforten. Sie durchbrechen die Kruste, unter der sie bisher verborgen waren. Ich kann sie nicht zurückhalten. Sie brechen aus, zusammen mit einem Schwall des Entsetzens. Ich höre sie, sie sind da. Und da wacht auch das Lied mit auf. »Lasst uns den fetten Hammel schlachten . . .«
    Bumm. Bumm. Bumm. Schlag auf Schlag von draußen. Und die Trommeln hier drin. Hinter meinen Schläfen. Sie gehen spazieren in meinem Gehirn, mal sind sie ganz nah hinter der Stirn, dann pochen sie dumpf in meinem Nacken; ich fühle, wie sie meine Schädelknochen in Schwingung versetzen.
    Ich stehe mitten im Raum, schwankend, halte meinen Kopf mit beiden Händen, presse die Finger gegen die Ohren. Aber gegen das da drin komme ich nicht an.
    Schlachten. Abschlachten.
    Ein Kind mit einem halben Kopf rennt durch mich hindurch. Ein Pfau ohne

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