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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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Schwanzfedern krepiert und stößt krächzende Töne aus. Ein Pferd . . . Ein Mann am Kreuz will mir als Nächster zusetzen. Nicht die Kinder. Nicht Nabila. Nicht Eli und sein aufgeschlitzter Bauch. Nicht . . .
    Ruhe. Ich drücke die Bilder weg, so wie wohl jemand einen quellenden Teig wegdrückt, aber er läuft ihm zwischen den Fingern durch. So wie Eli die Eingeweide . . .
    Nein. Nicht. Weg damit. Ich bin hier.
    Hier ist Cordoba. Hier wohnen wir. Wir.
    Jetzt, vielleicht, stürmen sie schon das Haus in der Judería. Jetzt sind meine Eltern und meine Geschwister dran.
    Und eine kalte Stimme tief in mir sagt: Warum nicht? Warum sollten sie verschont bleiben? Alle kommen dran.
    Beten kann ich nicht. An wen sollte ich mich wenden? Der Himmel ist eisig und dunkel und leer. Die Sterne fallen vom Himmel. Nicht einmal sie halten es aus.   –
    Valada stürmt in den Raum. Ihr sonst so bleiches Gesicht glüht vor Zorn.
    Sie reißt mich in ihre Arme, drückt mich an sich, zieht meine Hände herunter. (Ich merke erst jetzt, dass ich mir die Ohren zuhalte.)
    »Die verfluchten Hunde!«, ruft sie, und ihre wunderschön tönende Stimme macht für einen kurzen Moment den Krach in meinem Kopf gelinder. »Schon wieder sind sie auf dem Vormarsch, müssen einmal wieder ihr Mütchen kühlen. Kasmuna, Geliebte, fürchte dich nicht. Hier bist du sicher. Und die Deinen sind sicher, glaub mir! Ich habe ein paar von meinen Wächtern ausgeschickt. Ich lasse Musikanten kommen, laute Musik, damit das nicht zu uns dringt. Oder wir . . .wir gehen in den hinteren Teil des Gartens, da erreicht es uns nicht.«
    »Nein, nein«, sage ich und wundere mich, wie ruhig ich klinge. »Keine Musik, und wir müssen auch nicht weggehen. Mir . . . macht es nichts aus.«
    Mir scheint, ich kann sogar lächeln.
    Sie löst sich von mir, sieht mich unsicher an, ihre Augen sind veilchenblau.
    »Es macht dir nichts aus?«, wiederholt sie.
    »Ich kenne es ja schon«, erwidere ich.
    Der Lärm in meinem Kopf setzt wieder ein. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass es mich zweimal gibt. Einmal die Kasmuna, die hier fast beiläufig mit der Prinzessin spricht, eine Art Figur auf einem Sockel, wie die Griechen sie bildeten, doch belebt. Und daneben steht die zweite Kasmuna, sie heult und windet sich wie ein verwundetes Tier.
    »Du bist . . . so gefasst!« Valada sieht mich forschend an. »Eben, als ich hereinkam, da standest du wie eine Verzweifelte und hieltest deinen Kopf und . . .«
    »Das da draußen macht mir Kopfschmerzen«, sage ich. »Das gebe ich zu. Weiter nichts.«
    »Ich lasse dir ein Mittel holen!«
    »Es ist schon wieder besser!«, entgegne ich mit falscher Zuversicht und achte darauf, dass ich nicht wieder schwanke. »Bis Muhdja zum Schachspielen kommt, ist sicher alles vergangen.«
    Sie starrt mich an, als habe sie Worte in einer fremden Sprache gehört.
    »Ja. Muhdja zum Schachspielen. Sie wird doch nicht an diesem Abend . . . Ich schicke meine restlichen Leute in ihr Viertel und . . . Ich bin bald zurück, Liebste. Hab keine Furcht.«
    »Ich habe keine Furcht«, sage ich zu ihrem Rücken. »Wovor sollte ich denn wohl Furcht haben?«
    Ich finde es sehr gut, dass Valada sich jetzt einer Sache zuwendet, die wirklich vonnöten ist. Denn bei mir muss man sich um nichts mehr bemühen.
    Die Schläge von draußen, mal näher, mal weiter weg. Das Getöse in meinem Kopf   – unausweichlich. Ich bin gar nicht mehr vorhanden. Ich bin nur noch eine Hülle für diesen entsetzlichen Lärm. Es geht nicht. Nein, es geht nicht.
    Die liebende Geliebte hat alles versucht, mich mit den Zutaten des alten Daseins zu umgeben. So blicke ich auf das Schreibzeug, auf Papier und Schreibrohr. Hat sie wirklich gehofft, ich würde jemals wieder so etwas wie einen Vers schreiben? Wie meilenweit entfernt wohnt sie von mir!
    Nun gehe ich zum Pult, lege mir einen Bogen zurecht, ziehe den Stöpsel aus dem Tintenfass, greife zum Rohr, tauche es ein, streife die überflüssige Tinte am Rand ab.
    Nun, nachdem ich mich dazu überwunden habe, ist es nicht zu leugnen, dass ich ein gewisses Wohlgefühl empfinde bei diesen oft ausgeführten kleinen Handgriffen.
    Bevor ich anfange, schließe ich die Augen. Ich hoffe, mir wird im Dunkeln wohl sein. Im Dunkeln und in der Stille. Dann.
    Aber dazu muss ich die Perlen wieder abnehmen.
    VALADA.
    Es war ein schrecklicher Fehler.
    Habe ich wirklich vergessen, dass ich mein »kleines Weibchen« hierherbestellt hatte? Oder hat mir da ein düsterer Dämon aus

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