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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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erschrecken.
    Eben habe ich wohl auch Valada geängstigt durch mein Verhalten. Sie hat diese Stadt erwähnt. Zweimal! Das hat mich völlig aus der Bahn geworfen. Ich weiß nicht, was da über mich gekommen ist. Und ich habe tatsächlich ein Buch zerstört . . . Aber was sind Bücher schon wert in dieser Welt.
    MUHDJA.
    Meine Prinzessin hat mir geschrieben, und ich wage zunächst nicht, den Brief zu öffnen.
    Was erwartet mich? Vorwürfe? Strafe? Beschimpfung? Verzeihung?
    Ich lege das Schreiben beiseite und widme mich zunächst den Pflichten, die mein kümmerliches Dasein hier im Haus ausmachen: gemeinsam mit Dawja die Wäsche waschen, die Räume fegen, die Verbände meines Vaters wechseln und den Brei kochen, den er nun für den Rest seiner Tage essen muss, denn sie haben ihm die Zähne ausgeschlagen.
    (Es ist nicht einfach mit ihm. Was er erdulden musste, hat sein Gemüt verbittert, und statt Allah zu danken, dass er so davongekommen ist, schimpft, flucht und nörgelt er den lieben langen Tag.)
    Dann gehe ich auf den Markt, um meinen Korb mit Lebensmitteln zu füllen   – die Händler geben mir aus Mitgefühl und alter Verbundenheit Kredit. Aber das werden sie ja nicht auf die Dauer tun. Was machen wir dann? Wie wird es weitergehen? Vielleicht müsste ich allein versuchen, unseren Feigenhandel wiederzubeleben, aber auch dafür brauchte ich Geld . . .
    Und immer frage und forsche ich nach einem schwarzen Mädchen. Ob es sich irgendwo verdungen hat. Als Magd. Als Hure in einem Freudenhaus. Als Nebenfrau eines Händlers oder eines Vornehmen.
    Nichts. Niemand hat sie gesehen. Niemand von ihr gehört.
    Es ist, als sei sie vom Erdboden verschluckt worden. Und so geht es Tag für Tag, auch heute. Das Herz ist mir schwer.
    Wieder im Haus, verstaue ich die Einkäufe in der Küche, gebe Dawja noch ein paar Anweisungen. Dann setze ich mich in unseren kleinen Innenhof und erbreche das Siegel der Omayaden mit dem achtstrahligen Stern.
    Lese. Traue meinen Augen nicht.
     
    »Muhdja,
    Allah, der Erhabene, oder der Gott der Juden   – einer von ihnen hat ein Wunder getan an unserer Freundin, der Dichterin Kasmuna bint Ismael. Er hat sie verwundet, aber dann geheilt und schließlich in seiner Gnade erlaubt, dass sie hierher zurückkehrt.
    Nun ist sie in meinem Haus. Aber obgleich ihr Leib fast unversehrt ist   – ihre Seele hat nicht standgehalten bei all dem Entsetzlichen, was sie erlebt haben muss. Ihr Kopf und ihr Herz sind krank. Außer mir will sie niemanden sehen. Sie liest kein Buch und will keines unserer Lieder hören.
    Unterdessen habe ich herausgefunden, dass ihr das Schachspiel Zerstreuung verschafft und sie aus ihrem Grübeln herausreißt.
    Wie du weißt, bin ich keine große Könnerin in diesem Spiel. Im Gegensatz zu dir.
    Sie willigt ein, mit dir zu spielen.
    Aus Liebe zu unserer Freundin Kasmuna gestatte ich dir, an diesem Abend in mein Haus zu kommen, um mit ihr zu spielen. Wir werden sehen, ob das helfen kann, sie gesund zu machen.
    Meine Diener werden dir öffnen und dich zu ihr führen. Vor mein Angesicht zu treten, ist dir untersagt.
    Ich denke ohne Zorn an dich.
    Valada«   –
     
    Ich lese den Text sorgfältig. Zweimal. Dreimal.
    Oh Allah, Allerbarmer, was für ein stümperhaftes Erbarmen gewährst du meiner Prinzessin, dass du ihr anstelle einer verräterischen Geliebten nun eine zerstörte zurückgibst.
    Kasmuna!
    Wenn ich denke, dass es eine Zeit gab, wo ich insgeheim fast froh war, sie anderswo zu wissen. Damit ich die Eine und Einzige der Geliebten sein konnte. Fast so froh, wie über die Verbannung von Ibn Zaydun.
    Ach, wie sehr wünsche ich nun, dass die schöne Jüdin wieder gesund wird, damit Valada jemanden an ihrer Seite hat, dem sie voll und ganz vertrauen und dem sie all jene Liebe schenken kann, in deren Glanz ich mich sonnte, als ich noch ihr kleines Weibchen war.
    Heute Abend werde ich mich, wie immer, wenn ich zu Valadas Haus ging, in ein weites, dunkles Gewand hüllen, und darunter die dünne Ghilala, die ich trug, als ich sie verließ. Wenn es warm ist im Raum bei Kasmuna, werde ich mein Oberkleid ausziehen.
    Vielleicht, es könnte ja sein . . .
    Es gibt so viele Vorhänge, Schleier, Tapeten, hinter denen sich jemand verstecken kann, der ungesehen bleiben will.
    Wenn sie uns beim Schachspiel zusieht, wenn sie mich sieht   –
    Und ich denke: Wenn es nicht Nazik gewesen wäre, hätte sie es wohl mit einem Lachen und einer halben Woche Schmollen vertuscht? Hätte sie vielleicht nicht

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