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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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Gefühl zu vermitteln, mit mir ginge es irgendwie aufwärts, ich könne irgendwie zurückschlüpfen in mein altes Ich, wie man ein Kleid wechselt.
    Da sie mich ständig bestürmt, ich solle etwas essen (ich weißnicht, wieso, denn ich bin nicht hungrig), habe ich mir Obst bringen lassen, säuerliche Tamarinden und Melonen, Mandeln, syrische Äpfel, Zitronen und Orangen, alles auf Porzellantellern arrangiert, das Bronzemesser zum Schälen liegt neben den gefalteten Servietten aus feinem Byssusleinen, eine Karaffe aus grünem Glas mit Wein ist da, ebenso Gläser.
    (Sie geben sich alle viel Mühe mit mir.)
    Nun, vielleicht kann sich ja Muhdja an den Speisen erfreuen. Ich werde sie kaum anrühren.
    Um mich herum herrscht Ruhe. Die Fenster gehen zum Patio hinaus. Mir ist, als wohne ich in einer geschlossenen Wabe. Nichts von draußen dringt hier herein. So ist es gut. So soll es bleiben.
    Hier habe ich Frieden.
    Aber dies Gefühl   – kann es nicht auch trügen . . .
    IN DER MEZQUITA VON CORDOBA.
    Der Abend ist da. Dieser Abend.
    Und die Gläubigen kommen zum Freitagsgebet zur Mezquita, strömen aus den Schluchten der Gassen, als sei die Moschee ein großer Magnet, der alles anzieht, was sich bewegt.
    Die Männer bevölkern den Vorhof mit seinen Orangenbäumen, begrüßen einander. Hier und da wird einem Weisen, einem Alten, einer Leuchte des Islam, ehrfürchtig die Hand geküsst.
    Zu den Türen der Moschee hin huschen die Frauen, von Kopf bis Fuß dunkel gewandet, den Litham, den Gesichtsschleier, bis zu den Augen hochgezogen, verhüllt, selbst die Hände stecken in dunklen Handschuhen, und sie eilen scheu und flüsternd an ihren Männern, Vätern, Brüdern vorbei, die um diese Stunde keinen Blick für sie haben. Sie verbergen sich auf der Galerie. Nur von dort ist es ihnen erlaubt, an der Andacht teilzunehmen.
    Dunkel gekleidet sind aber auch viele Männer, vor allem jene, denen ein üppiges Bartgestrüpp bis auf die Brust herabwallt und die gern ebenfalls ihr Gesicht verbergen hinter einem Tuch.
    Sie stehen in Gruppen für sich. Die anderen grüßen sie scheu, meiden sie.
    Das Freitagsgebet in der Moschee ist Pflicht für jeden guten Moslem. Aber nicht nur aus Frömmigkeit besuchen es die Bewohner Cordodas. In der Predigt, die der Imam hält, erfährt man, was die nächste Woche bringt.
    Ob man aufgerufen wird, mehr Almosen zu verteilen als sonst, weil die Armut überhand nimmt, ob man jemanden besonders in seine Gebete einschließen soll oder ob einfach nur ein Koranvers gedeutet wird. In solchen Feinheiten verbergen sich bestimmte Hinweise.   – Die Armut nimmt überhand: Werden irgendwelche Güter im Preis anziehen, kommt gar . . . Allah möge abwehren . . . noch eine Steuer? Für jemanden muss besonders gebetet werden: Stehen Verhaftungen bevor? Ein Koranvers wird gedeutet: nichts Besonderes, ein paar ruhige Tage . . .
    Die Freitagspredigt ist der »Wetterprophet« für die Woche.
    Die Gläubigen begeben sich langsam in die Vorhalle der Moschee, streifen ihre Schuhe ab und gehen dann ins Innere des schönsten Baus von Cordoba.
    Zu dieser abendlichen Stunde liegt der Wald aus buntgestreiften Säulen im Halbdämmer. Wie mystische Verheißungen schimmern die Mosaiken der Gebetsnische und die goldbedeckten Wände und Rundbögen.
    Die Gläubigen wissen: Drei Generationen von Omayaden haben sich diesem Bauwerk gewidmet, haben alles gegeben, es zu vergrößern und immer hingebungsvoller auszuschmücken. Sie lieben ihre Mezquita.
    Aber die Männer mit den dunklen Kleidern und den ungepflegten Bärten schauen mit scheelen Blicken auf all dieSchönheit. Für sie ist es nicht nötig, Allah mit Glanz und Prunk zu ehren. Ihnen wären unverputzte Wände lieber.
    Die Bärtigen haben sich heute nach ganz vorn in der Moschee gedrängt.
    Ihre schwarz verhüllten Häupter sinken bereits auf den Boden, bevor die erste Raka gesprochen wurde, die erste Lesung aus dem Koran stattgefunden hat. Sie beten mit überlauter Stimme, in frommem Ingrimm, zu allem entschlossen.
    Man kennt das. Das ist kein gutes Omen.
    Heute wird es keine Andeutungen in der Predigt geben. Heute, wahrscheinlich, geschieht wieder ganz offen das, was alle kennen: die Aufforderung . . .
    Und während sie sich niederwerfen, wieder und wieder, ist so mancher mit seinen Gedanken nicht bei den Worten, die seine Lippen murmeln. Alles wartet auf die Predigt des Imam, wenn er denn, auf seinen Stab gestützt, vortritt in der Gebetsnische und die Stimme erhebt.  

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