Valadas versinkende Gaerten
flüstert er.
»Sieht auch nicht nach Hexenwerk aus«, gebe ich genauso leise zurück. »Kommt, Hoheit, man hat uns offenbar in die Irre geschickt. Vergesst es, Euch an einer der Bewohnerinnen dieser Drecklöcher zu verlustieren. Vielleicht haben sie Krankheiten.«
Der Prinz zögert. »Schade«, sagt er. »Sie wirkt wie ein herrliches Stück Fleisch. Aber wenn du meinst . . .«
»Die Fackel ist auch gleich heruntergebrannt«, mahne ich.
Wir kehren um.
Und ich habe Grund zu dieser Umkehr. Alle Dämonen der Hölle sollen mich bei lebendigem Leibe verzehren, wenn ich da eben nicht die »Ursache« gesehen habe für all das, was mir geschehen ist.
Das ist die Schwarze aus Valadas Haus, an der ich mich im Bett ihrer Herrin so verhängnisvoll gütlich getan habe.
NAZIK.
Ich habe mich befreit.
Niemand kann mich mehr sein Eigen nennen. Ich bin gelaufen und entkommen und angekommen. Sie erweisen mir – Achtung.
Erst wollten sie mich an ein Hurenhaus vermieten.
Aber dann trat der große Mann hervor, dessen Augen sehr hell sind und dessen Gesicht voller Narben, und sie machten ihm Platz.
Er sah mich an und streckte den Finger aus, um mich zu berühren, und ich stand wie eine Palme und regte mich nicht und ließ ihn gewähren, denn er war es, der Ja oder Nein zu sagen hatte.
Dann hob er seine Hand und wollte mich unters Kinn fassen. Und mir fielen die Händler auf den Verkaufsgerüsten ein, die mit Klammerfingern die Wangen zusammenpressen und einem die Kiefer auseinanderzwingen, damit sie die Zähne sehen können. Da hob ich
meine
Hand und verwehrte es ihm und sagte etwas in meiner Sprache. Es war so etwas, wie ich sei voller Zauber und er solle mich lassen. Es war aber gelogen.
Ich weiß nicht, ob er mich verstand. Aber es half. Er ließ von mir ab und sagte, man solle mich zu den Kranken bringen. Ich könne heilen. Ich könne behüten.
Nun bin ich hier und tue nichts weiter, als zu summen. Ich summe ihnen etwas vor oder singe meine eigenen Lieder von zu Haus, und manchmal lege ich mich neben sie und tue meine Hand auf ihre schmerzenden Stellen, und sie werden ruhiger, weil ich ruhig bin.
Nun bin ich für sie die Heilerin, die Zauberin. Aber das ist nur so, weil sie glauben, dass ich das bin. Von den großen Zauberfrauen meiner Heimat habe ich nicht das Geringste erfahren.
Und wenn sie mich etwas fragen, bin ich still. Das habe ich ja lange genug geübt. Nicht zu sprechen. –
Vor ein paar Tagen haben diese Barbaren in der Stadt wieder gemordet. Warum sie es tun, habe ich nie verstanden. Und die Männer mit den Karren haben mir die Frau vor die Füße geworfen, die Frau, die mir noch nie wehgetan hat.
Dass ich von ihr fortlaufen musste, hätte sie verstehen sollen. Ich konnte niemandem mehr gehören. Auch nicht jemandem, der nach meiner Seele grub.
Die Frau liegt nun da. Sie haben sie auf einem Karren gebracht, mit zwei anderen, und sie war voller Blut an ihrem Leib und ihren Beinen.
Nicht, dass mich irgendwelche Grausamkeiten der Araber erstaunen könnten. Aber warum mussten sie der Frau die Haare aus dem Kopf herausdrehen? Da sind nur noch Büschel und dazwischen rohes Fleisch.
Da ist ein Arzt, der bei uns lebt. Das ist ein Mann, der es nicht vermocht hat, die Tochter eines Großen und Reichen zu heilen und der aus Cordoba fliehen musste, weil, sie hätten ihn sonst bestraft. Dieser Arzt ist ein guter Arzt. Er hilft nun den Verlorenen hier, und sie geben ihm Essen, wie mir auch.
Der Arzt hat nichts weiter getan, als der Frau Schlafmohn zu geben, damit sie nicht schreit wegen des Schmerzes. Ihren Kopf hat er mit weichen Binden versehen. Sie wird nie wieder Haare haben.
Ich sitze bei ihr und summe. Es ist ohne Sprache, was ich summe, so, wie die Flügel der wilden Bienen sich anhören oder das zärtliche Grollen einer Löwin aus weiter Ferne. Worte, wenn ich sie benutze, sind in der Sprache meiner Heimat. Keiner kann sie verstehen. Und keiner soll sie verstehen. Es sind Worte zum Einschlafen, wie man sie Kindern vormurmelt. »Schlaf, schlaf, sonst weint die Hyäne, weckt ihre Jungen auf.« Oder: »Schlaf, schlaf, der Vater kommt mit Beute von der Jagd, die Mutter backt Fladen in der Asche. Und morgen schon, mein Hungriges, kannst du den Bauch dir füllen.«
Die Verletzten und Verlorenen beruhigen solche für sie sinnlosen Worte.
Manche möchten, dass ich ihre Hand halte oder ihnen meinen Speichel in den Mund gebe. Denn sie denken ja, ich habe Zauberkraft. Das können sie ruhig denken.
Zu der
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