Valadas versinkende Gaerten
»Sie nennen mich den König, dort, wo ich herkomme.«
Wo er herkommt? Ich kenne niemanden in Cordoba, der halbnackt und mit einer Waffe herumläuft, es sei denn, es ist der Henker . . .
Nein, aus Cordoba kann dieser Mensch nicht sein. Und die Narben in seinem bartlosen Gesicht, als sei es von Messern zerfetzt worden . . . Manche Emire halten sich Gesetzlose als Berufskämpfer, die gegen andere antreten zu ihrer Belustigung, doch der unsere hier in Cordoba nicht.
Gesetzlose? Wo hausen hier Gesetzlose?
Dann dämmert es mir. Der Mann stammt ja vielleicht aus dem Lager unten am Fluss, wo die leben, die nicht mehr dazugehören . . .
Bestimmt ist er gefährlich, so sehr er auch das Gegenteilversichert. Aber ich stecke so tief in meiner Traurigkeit, dass es mir eigentlich egal ist, was mit mir geschehen könnte.
Trotzdem frage ich: »Was willst du? Mich als Geisel nehmen und Lösegeld erpressen? Nur zu. Offenbar gibt es ja in diesem meinem Haus niemanden, der bereit ist, mich zu beschützen.«
»Im Gegenteil, große Nachfahrin des Propheten«, beteuert er, und im Laternenschein blitzen seine Zähne in einem Lachen auf. »Die Liebe und Verehrung aller sind dir sicher.«
(Er spricht nicht wie ein Ungebildeter. Woher er wohl ursprünglich kommt? Nun, was geht es mich an.)
»Wenn das so ist«, erwidere ich, »dann sag, was dich hierhergeführt hat, und mach es kurz und verschwinde.«
»Das will ich tun«, sagt er, und dann – nun muss ich doch aufschreien im plötzlichen Schreck – schwingt er sich von der Mauer herunter und landet direkt vor meinen Füßen. Und dann geht er in die Knie. Er . . . kniet vor mir.
Aber nicht mit gebeugtem Nacken. Sein Gesicht ist zu mir emporgewandt, und seine sehr hellen und sehr merkwürdigen Augen leuchten wie Metall.
»Gebieterin!«, sagt er. »Nun, wo unsere Erlösung unmittelbar bevorsteht, wo dein hoher Verwandter – und du mit ihm – das Reich des Friedens und der Gerechtigkeit errichten wird, haben mich die armen Leute zu dir geschickt, dich zu grüßen und ihre Hoffnungen vor dir auszubreiten.«
»Welche armen Leute?«, frage ich irritiert. »Meinst du die entlaufenen Sklaven und abgestraften Verbrecher, die sich da unten am Fluss angesammelt haben und in den Ruinen der az-Zahra? Deren Hoffnungen dürften wohl gering sein, unter welcher Regierung auch immer.«
»Die hätten es besonders nötig!«, sagt er, und so etwas wie Ungeduld klingt in seiner Sprache an, »doch die sind wohl auf der Rückseite des Mondes . . . Nein, ich bin erwählt worden, für die zu sprechen, die aus
deiner
Stadt sind, diekeine Stimme haben. Weil sich keiner gefunden hat, der für sie redet. Und weil von ihrem Wohlergehen auch abhängt, wie wir da unten leben. Ich habe die Arbeit übernommen. Verständige Männer aus den Vierteln der Armen haben mich darum gebeten.«
»Du hättest zu mir in meinen Mailis kommen können, angemeldet«, sage ich. »Wozu diese . . . Veranstaltung?«
»Eben jene Leute, die mich jetzt in aller Verschwiegenheit hierhergebracht haben, in deinen Park, hätten mich offiziell davonjagen müssen, Herrin.«
Ich schweige.
»Die, die keine Stimme haben . . .« Keine Stimme und keinen Fürsprech. Mir fallen die stinkenden, engen Gassen ein, durch die ich geritten bin mit meiner Begleitung, um zu Muhdjas schäbigem Haus zu gelangen. Wo sich niemand blicken lässt aus Angst, wenn Pferdehufe draußen vorbeitrappeln. Wo die hausen, um die sich niemand kümmert. Auch ihre Prinzessin nicht.
Ich weiß nicht, was mit mir geschieht. Vielleicht ist es, weil mich meine Trauer so durchlässig gemacht hat für . . . Stimmungen, dass ich mich nicht wehre gegen den seltsamen Zauber, der von diesem Mann ausgeht. Von diesem Mann und von diesem Moment, hier hinten an der äußersten Mauer meines Anwesens, wo es nach Laub und Heu riecht, in der Nacht, einzig mit einer Laterne.
Und er – der »König« – fährt fort: »Ich bin beauftragt, dir zu sagen, dass aller Augen auf dich gerichtet sind, Prinzessin. Den armen Leuten geht es schlecht. Sie haben Hunger, genau wie wir da unten am Fluss, und sie haben Angst. Unsinnige Steuern bedrücken sie. Die Leute träumen: Die Omayaden sind zurück, und mit einem einzigen Schlag ist die verkehrte Welt zu Ende, und es gibt wieder Brot für alle, und da ist keiner, der den anderen peinigt.
Ich
weiß, dass es so nicht geht. Dass es lange dauert und mühsam ist. Aber du sollst erfahren,dass sie an dich glauben. An deinen Stamm, die
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