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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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ausgespien hatte, von denen man sich getrennt hatte, wie man einen verdorrten Ast vom Baum abhackt. Ich war im Haus der Frau, die ich liebe, in der Residenz meiner großen Familie, mit meinen Freunden in den schönen und Wehmut erweckenden Gärten der az-Zahra. Die makabre Neugier des Kronprinzen auf alles Abwegige und Skurrile zwingt mich nun in diese merkwürdige »Stadt«, in der es, wie sich herausstellt, Stände gibt, wo Lebensmittel und seltsame Fetische aus Afrika feilgeboten werden, welche   – so versichert uns ihr Verkäufer, dem eine Hand fehlt (so straft man Diebe)   – zuverlässig gegen Schlangenbiss, Krankheiten aller Art und Schwierigkeiten beim Wasserlassen helfen; Garküchen, von deren Dünsten allein einem schlecht werden kann, denn sie verarbeiten hier die Abfälle der nicht weit entfernten Schlachthöfe; Tavernen, aus denen das Geschrei Betrunkener dringt   – es hört sich nach einer Messerstecherei an, und wir gehen schnell vorüber.
    Notdürftig bekleidete Kinder mit struppigem Haar, sämtlich mit nackten Füßen, tauchen aus dem Dunkel auf, geraten in den Lichtkreis trüb brennender Laternen vor Hütten und an Kreuzungen und in den Schein unserer Fackel, streifen an uns vorbei wie Fledermäuse in unruhigem Flug, berühren unsere Mäntel. Wollen sie betteln, stehlen oder uns nur necken   – wer weiß? Jedenfalls stören sie mich, und ich zücke zwei-, dreimal den Dolch, lasse den Stahl aufblitzen. Danach bleiben sie weg, scheinen sich untereinander so lautlos verständigt zu haben, wie Fledermäuse es auch tun.
    Es gibt da eine Bretterbude mit dem Symbol der Christen, einem Kreuz überm Eingang und einer Glocke. Sie scheppertwie Blech, als Mutamid sie berührt, und er lacht lauthals, als ein zerlumpter Mönch mit nur einem Auge aus der Hütte schleicht, »Gelobt sei Jesus Christus, meine Brüder!« murmelt und uns einen Fluch hinterherschickt, als wir fliehen   – mein Gefährte muss noch eine obszöne Geste draufsetzen.
    Manchmal erscheint mir der Prinz wie ein zu albernen Streichen aufgelegter Halbwüchsiger, und wenn ich seine andere Seite nicht kennen würde (schließlich hat er das Unternehmen in Granada geleitet), käme ich in Versuchung, ihn nicht ernst zu nehmen, was ein Fehler wäre.
    »So was wie eine Kirche haben sie also«, sagt Al Mutamid, »aber wo bleiben die Moschee und die Synagoge?«
    »Juden wirst du hier kaum finden«, erwidere ich. »Die Gemeinde lässt keinen fallen, mag er auch noch so arm und schäbig sein. Auf lobenswerte Weise sorgen dort Reiche für Arme und Schwache, so wie wir Muslime es nach den Geboten des Propheten auch tun sollten.«
    Mein Gefährte geht nicht darauf ein. »Nun gut«, sagt er. »Und wo bleibt die dritte Religion? Unsere? Wo die Moschee?«
    »Genügt es nicht, zu wissen, wo Osten ist, und fünfmal am Tag das Glaubensbekenntnis in Richtung Mekka zu sprechen?«
    Er nickt. »Du magst Recht haben.« Abrupt wechselt er den Gesprächsgegenstand, kommt auf das, was ihn wirklich interessiert. »Aber   – wo sind die Hurenhäuser? Und wo bleiben überhaupt die Weiber?«, fragt er. »Müsste hier nicht an jeder Ecke eine stehen und mit dem Hintern wackeln, sobald nur ein Mannsbild vorbeikommt? Müssten sie nicht breitbeinig auf der Erde sitzen, eine Kerze zwischen den Knien, die ihre offene Fotze beleuchtet, und sich schon mal mit zwei Fingern nass reiben?«
    Es stimmt. Keine Frau. Nicht einmal eine alte Vettel lässt sich blicken. Wir beschließen, nachzufragen. Aus einer derruhigeren Tavernen wird gerade ein Betrunkener auf die Straße gestoßen und übergibt sich lautstark.
    »Hier scheint man auf Ordnung zu halten!«, sagt Al Mutamid grinsend. »Gehen wir hinein. Hier haben wir vielleicht die Chance, nicht in eine Prügelei zu geraten.«
    Ich schlage den Vorhang zurück und halte ihn hoch, damit mein vornehmer Gefährte als Erster eintreten kann. Dem Fackelträger bedeute ich, vor dem Eingang zu warten.
    Es ist stickig heiß hier drin und stinkt nach vergossenem Wein, ungewaschenen Männern, blakenden Öllampen   – und Opium. So erklärt sich die Stille in dieser »Höhle«. Opiumtrinker sind friedliche Wesen, sie leben in einer anderen Welt.
    Der Einzige, der zurechnungsfähig zu sein scheint, ist der Wirt, ein dünnes Männchen mit schütterem Bart und einer Kopfbinde, die ihm auch Hals und Nacken verhüllt.
    Al Mutamid geht unverzüglich zu dem Mann an den Schanktisch, schiebt ein paar Dirhems hinüber und sagt mit herrischer Stimme:

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