Valentina 3 - Geheimnisvolle Verführung: Roman (German Edition)
würde, damit sie darüber reden könnten, aber seine Seite des Betts blieb leer und Tina schlief allein. Am nächsten Morgen fand sie Phils Nachricht, dass er für eine Weile nach London ginge. Tina war zutiefst verletzt und auch wütend auf ihn gewesen. Wie konnte er so selbstsüchtig sein? Sie hatte Karel versprochen, dass er sein Kind kennenlernen würde. Ein solches Versprechen bricht man nicht.
Doch nun scheint Karel es zu brechen. Es sei denn, er ist absolut nicht in der Lage zu kommen. Vielleicht, weil er krank ist oder nicht mehr in Ostberlin lebt. Das kann sie nur herausfinden, indem sie zu seiner Wohnung geht.
Es fühlt sich merkwürdig an, wieder durch die Ostberliner Straßen zu laufen. Hier scheint heute jeder auf dem Weg in den Westen zu sein, sei es für einen Tag oder für immer. Tina findet das Haus in Prenzlauer Berg, in dem Karel gewohnt hat, sofort. Nach dem letzten Mal hätte sie den Weg hierher nie vergessen können. Trotz ihrer einstigen Pracht wirkt die Fassade noch baufälliger als in ihrer Erinnerung. Die Fenster sind dreckig und gesprungen, der Putz bröckelt von den Wänden und entblößt Backsteingemäuer und abblätternde Farbe. Sie tritt durch die Haustür und steigt die Treppe hinauf. Valentina ist müde, zerrt an ihr und nörgelt.
»Komm schon, sei ein braves Mädchen. Wir haben es gleich geschafft«, ermuntert sie ihre Tochter.
Tina denkt an das letzte Mal, als sie in diesem Gebäude war. Karel hatte sie die Treppe hochgetragen, sie waren beide schneebedeckt. Das kühle Nass schmolz in ihrem Schoß, gewärmt von der Hitze seiner Brust. Sein Herzschlag im Einklang mit dem Herzen seiner kleinen Tochter in ihrem Bauch. Sein Atem auf ihrer Stirn, als er die Schneeflocken von ihrem Scheitel pustete. Seine Gegenwart in diesem Gemäuer fühlt sich plötzlich so real an, dass Tina beinahe den Klang seines Cellos die Treppe herunterschweben hört.
Doch als sie Karels Wohnung erreichen, steht sein Name nicht mehr an der Tür. Die Musik ist verstummt, stattdessen hallt der schrille Ton der Klingel durchs Treppenhaus. Sie umklammert Valentinas Hand und murmelt im Stillen ein Gebet, obgleich sie weiß, dass sie kaum hoffen darf.
Eine stämmige Frau reißt die Tür auf. Sie hat graues Haar, scheint aber nur wenig älter als Tina. Da sie kein Deutsch kann, spricht Tina die Frau auf Englisch an.
»Wohnt Karel Slavik hier?«
Aber die Frau schüttelt lediglich mit einem mürrischen Blick den Kopf.
Bevor Tina fragen kann, ob sie wisse, wo er sei, schlägt sie ihr die Tür vor der Nase zu.
Langsam gehen Mutter und Tochter die Treppe hinunter und zurück auf die Straße. Die Dunkelheit bricht herein. Ein unangenehmer Nieselregen weht ihnen ins Gesicht und durchnässt ihre Mäntel. Sie kann nicht glauben, dass es vorbei ist. Dass sie Karel niemals wieder sehen wird. Und nun hat sie Phil auch noch verloren. Sie ist ganz allein. Plötzlich zittert sie so heftig, dass ihr gesamter Körper zuckt.
»Was ist mit dir, Mama?«, fragt Valentina und sieht mit ihren großen Kinderaugen zu ihr auf.
»Ich bin ein bisschen traurig. Ich fühle mich ein bisschen einsam«, erklärt sie.
»Nicht traurig sein«, antwortet ihre Tochter. »Du bist nicht allein, du hast doch mich.«
Ja, aber das reicht nicht , würde sie am liebsten sagen. Ich brauche einen Mann. Nur dann kann ich mich selbst lieben, mich ganz fühlen.
Zurück im Hotel ist Tina so erschöpft, dass sie in ihren Kleidern einschläft, während sie Valentina eine Gutenachtgeschichte vorliest. In ihrem Traum begegnet sie Karel. Er lebt mit diesen armen Punks von damals in einem verlassenen Haus in der Schönhauser Allee. Er sitzt gelassen auf einem Trümmerhaufen, als sei es der bequemste Ort der Welt. Zwischen seinen Beinen klemmt sein Cello und er wartet auf Valentina und sie. Tina winkt ihm zu.
Wir sind hier, ruft sie, ich habe sie dir mitgebracht.
Karel lächelt ihr zu und blickt voller Stolz auf Valentina hinab. Es ist ein so großherziges Lächeln, so verständnisvoll, mitfühlend und liebevoll. Er ist ein guter Vater. Er hebt seinen Bogen und fängt an zu spielen. Oh, es ist das Stück, das er für Tina komponiert hat. Sie erkennt es sofort wieder. Sie steht vor seiner Burg aus Trümmern und lauscht den Klängen seiner Liebe. Die Melodie trägt Valentina und sie, sodass ihre Füße einen Augenblick über dem Boden schweben. Und während Tina zusieht, wie Karel auf seinem Cello spielt, spürt sie seinen Bogen auf ihrem nackten Körper. Die
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