Valentine
ist.«
Ob er auch bemerkt hatte, dass er eine Tätowierung trug, die ihren Bund besiegelte? Valentine entschied, ihn nicht darauf aufmerksam zu machen. Stück für Stück würde er die Konsequenzen der Wandlung begreifen und verstehen. Sie hauchte kleine Küsse auf seine Wangen, seine Nase, seine Lippen. Doch als er sie erneut voller Begehren küssen und sie ausziehen wollte, hielt sie ihn zurück, indem sie einen Finger auf seine Lippen legte.
»Halt«, bat sie. »Lass uns erst nach Hause gehen.«
»Du hast R echt. Entschuldige. Aber ich will dich so sehr, dass ich völlig kopflos bin.«
»Dafür brauchst du dich nicht zu entschuldigen.«
Kapitel 34
Nachdem beide sich mit einer herzlichen Umarmung von Chantal verabschiedet hatten, standen sie Hand in Hand auf der Terrasse und atmeten tief die frische kühle Nachtluft ein.
»Der übernächste Nachbar zur Linken hat heute Nachmittag seinen Rasen gemäht. In der dritten Reihe geradeaus wurden zwei Dächer von dem Beben fast völlig abgetragen. Der Dachstuhl ist feucht. Und in der Hecke auf der rechten Seite ist gestern ein Vogel in seinem zerstörten Nest verendet«, murmelte Maurice verdutzt. »Kann es wirklich sein, dass ich das alles rieche?«
Es war unglaublich. Er fühlte sich nicht unwohl in seiner Haut, nur irgendwie anders, kraftvoller, drahtiger. Seine Wahrnehmung war zudem geschärft. Er sah, hörte und roch viel intensiver als zuvor. Das war einerseits ein e interessante , andererseits eine erschreckend e Erfahrung . Es mochte Dinge geben, von denen er bislang nichts geahnt hatte, die er aber künftig bemerken würde. Das würde natürlich auch unangenehme Erlebnisse betreffen.
Valentine lachte leise. »Es gibt noch vieles, was du lernen und entdecken wirst. Und das ist auch notwendig. Es ist überlebenswichtig.«
Ihre Augen funkelten im Mondlicht, als Maurice sie ansah. »Ich dachte, Vampire sind unverwundbar?«, merkte er gut gelaunt an. Wenn er bedachte, wie alt die anderen waren, H underte von Jahren. Unvorstellbar.
»Du weißt, dass das nicht so ist«, knurrte sie warnend. »Wir sind durchaus sterblich.«
Sie hatte R echt, Übermut war nicht angebracht. Wenn er einem Unreinen oder einem Vampirjäger begegnete, war er genauso in Lebensgefahr wie ein Mensch. Sogar sein eigener Vater hätte ihn in diesem Zustand getötet. Er atmete tief durch. Asche zu Asche, Staub zu Staub. Es war vorbei.
»Mach dir keine Sorgen. Ich werde von dir lernen, und von Frédéric und den anderen. Aber es ist so – überwältigend. So wie du.« Er drückte sanft ihre Hand. Es fühlte sich so verdammt gut an, sie in seiner Nähe zu wissen. Sein Herz wollte überlaufen vor Glück , und er konnte es kaum erwarten, mit ih r zuhause zu sein, in ihrem Schloss, in ihrem Refugium , unter seinesgleichen . Wie sich das anfühlte – ein anderer Teil von ihm hatte sich mit dem Vampirdasein bereits angefreundet. Es hatte gewisse Vorteile. Ein Teil von ihm war sich noch nicht im K laren darüber, wie tiefgreifend diese Verwandlung war und ob er aus der Vergangenheit seines Menschseins etwas vermissen würde.
»Jetzt konzentriere dich!«, mahnte Valentine .
Was zu tun war, hatte sie ihm zuvor erklärt. Sie glaubte fest daran , dass ihre eigene Transformation ihm dabei helfen und ihn sozusagen mitziehen würde, sich aus dem Garten seiner Mutter in den Park des Château zu materialisieren. Maman hatte es vorgezogen, nicht dabei zu sein, damit er nicht unnötig nervös w u rde. Einen Unterschied machte es nicht. Er war nervös. Zu gerne wollte er Valentine beweisen, dass er von der ersten Stunde an ganz und gar ein Vampir war und seine neuen Fähigkeiten zu nutzen verstand.
Maurice schloss die Augen. Valentine vertrat die Meinung, das erleichtere ihm die Konzentration. Ihre Hand war kühl. Sein Blut pulsierte vor Aufregung ein wenig zu schnell durch die Adern. Zum ersten Mal sollte er etwas tun, von dem er nur eine wage Vorstellung besaß, wie es funktionierte. Er atmete tief und bedächtig ein und aus und versuchte , sich den Ablauf vorzustellen.
Aber es klappte nicht.
Bei diesem ersten Versuch lösten sich ihre Hände voneinander , und Valentine dematerialisierte sich allein. Sekunden später war sie zurück.
Wortlos reichten sie einander die Hand und versuchten es erneut. Sein Puls galoppierte davon, seine Konzentration nahm ab statt zu. Was erwartete er denn? Dass er ein Naturtalent wäre?
Wieder scheiterte das Dematerialisieren. Geduld, er durfte sich nicht
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