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Valentine

Valentine

Titel: Valentine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inka-Gabriela Schmidt
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nach Paris und Versailles geführt. Wie dort waren die Wände dieses Saales fast flächendeckend mit Spiegeln behängt, die allerdings zum Teil aussahen, als hätte jemand darauf herumgeschmiert.
    Es war der Moment, in dem Frédéric zu vergessen schien, dass er nicht allein war. Hektisch rannte er von einem Spiegel zum nächsten und stieß einen tiefen grollenden Ton aus, wie ihn Maurice noch nie gehört hatte. »Kristall!«, war das einzige Wort, das er ausstieß. »Was will sie denn mit einem Kristall?«
    Bertrand räusperte sich , und Frédéric sah ihn an. »Als die Duchesse und ich vor zwei Stunden nachgesehen haben, war aus einem der Spiegel ein Flüstern zu hören.«
    Ich wusste es. Ich befinde mich in einem Film, dachte Maurice. Ich bin verrückt. Oder die anderen sind es. 
    »Aliénor hat aus dem Spiegel gesprochen?«
    »Vermutlich, Monsieur Le Duc. Es war schlecht zu verstehen, sehr leise und verzerrt. Es hörte sich an, als flüsterte jemand: Sucht nach dem Kristall.«
    Maurice deutete Frédérics Schweigen als Form der Selbstbeherrschung. Falls er innerhalb der nächsten Sekunden nicht anfing zu lachen, dann blieb ihm nichts anderes übrig, als die unglaubliche Geschichte als wahr zu akzeptieren. In seinem Inneren sträubte sich alles dagegen.
    »Hier steht: Hol deinen Kristall Frédéric«, ergänzte er, nun ebenfalls genauer die Spiegel überprüfend. Kleine und große Herzen waren rund um einige der Texte gemalt. »Wer hat das geschrieben?«
    »Aliénor«, erwiderte Frédéric dumpf. »In Spiegelschrift, von der anderen Seite.«
    Das erklärte, warum die Buchstaben so ungelenk aussahen. Ein eiskalter Schauer lief Maurice den Rücken hinunter , und er versteifte sich. Sie schrieb aus dem Reich der Totengeister? Wie schaurig. Bis eben hatte er Frédérics Behauptung, Aliénor wäre durch einen Spiegel gegangen, für eine Art Metapher gehalten und sich nur halbherzig damit auseinandergesetzt. Dabei hatte der Vampir das wirklich ernst gemeint. Und was sollte die Botschaft mit dem Kristall?
    In diesem Moment verschwand Frédéric vor seinen Augen. Eine faszinierende Begabung, fand Maurice. Das würde er auch zu gerne können. Wenige Minuten später materialisierte sich der Vampir wieder im Saal. In einer Hand hielt er einen grünlich fluoreszierenden, bizarr gezackten Kristall und berührte damit einen der Spiegel. Maurice erinnerte sich schlagartig, einen ähnlich aussehenden Kristall schon einmal gesehen zu haben.
    Nichts geschah , und Frédéric senkte enttäuscht die Hand.
    Maurice ging weiter von Spiegel zu Spiegel und suchte sie nach weiteren Zeichen ab. »Was hat es mit diesem Kristall auf sich?«
    Frédéric seufzte. »Magie. Er leuchtet und entfaltet seine Kraft nur in der Hand desjenigen, den er für würdig erachtet.«
    Das hörte sich an, als handelte es sich um lebende, denkende Wesen. »Hast du auch das hier gelesen?« Die Botschaft auf dem letzten Spiegel lautete: »Ihr braucht drei Kristalle!!!«
    Sekundenschnell stand Frédéric neben ihm und wiederholte mit tonlos bewegten Lippen den Text. »Merde. Pourquoi?«
    Räuspernd wandte Bertrand sich an Frédéric. »Darf ich das so verstehen, Monsieur Le Duc, dass wir Mademoiselle Aliénor nur zurückholen können, indem wir drei Kristalle wie den Euren gegen die Spiegel halten?«
    »Ich habe keine Ahnung. Wir könnten es ausprobieren. Das Problem ist: ich kenne sonst niemanden, der einen besitzt.«
    Bertrands Miene war nicht weniger betrübt als Frédérics. Sollte das bedeuten, Aliénor musste auf der anderen Seite bleiben?
    Maurice fiel es schwer zu atmen. Seine Brust war eng, wie von einem Gurt zugezogen. Allmählich glaubte auch er an eine Art göttliche Fügung. »Puh, ich bin mir nicht sicher. Schließlich kenne ich mich mit solchen Dingen ja nicht aus – aber es kann sein, dass ich so einen Kristall besitze«, warf er zögernd ein.
    Frédéric schaute ihn an, als hätte er Chinesisch gesprochen. An seiner Stelle reagierte Bertrand. »Monsieur Maurice, sind Sie sich sicher? Wie sieht er aus?«
    »Na, so wie Frédérics. Es hieß damals, das wäre ein Mondstein. Ich habe nie hinterfragt, was das bedeutet.«
    Maurice überlegte, wo er den Kristall in seinem Zimmer verstaut hatte. Es war eine halbe Ewigkeit her, dass er ihn auf einer Mineralienbörse entdeckt und für wenig Geld erstanden hatte. Eigentlich war er nur dorthin gegangen, weil ihn ein Schulkamerad dazu überredet hatte, der sich intensiv mit Mineralien

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