Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)
in der Nähe des Bahnhofs zu bauen. Sie wusste auch, dassder Bürgermeister versucht hatte, anderswo zu schmollen. Als er jedoch auf der Kirchenbank in der großen Kirche saß, hatte er nicht genügend Zuschauer, sodass sich die Sache nicht lohnte. Ibolyas Kneipe erwies sich letztlich als der einzige Ort, an dem ihn die Wähler sehen konnten.
Nach seiner Trennung liefen die Stammgäste erst einmal ein paar Tage auf Zehenspitzen um ihn herum. Sie sprachen nicht mit ihm. Sie beobachteten ihn und warteten ab. Sie hatten ihn noch nie so deprimiert gesehen. Ihn doch nicht.
»Erstaunlich, dass man wegen einer Frau so schnell und so tief sinken kann«, wunderten sie sich.
Als nach ein paar Tagen klar war, dass er nicht gekommen war, um die Kneipe zu schließen, begannen sie, ihm Bier oder Schnäpse auszugeben. Der Bürgermeister wimmelte sie ab und schluchzte in sein Bier. Er hielt nur ein-, zweimal inne und lächelte Zsofi an, bekam jedoch sofort Schuldgefühle und schluchzte noch mehr.
»Damit hat der ganze Ärger ja angefangen«, murmelte er. »Ich bin zu nett. Ich kann nicht nein sagen, ich Wicht. Ich hab noch nie eine hübsche Frau getroffen, ohne mich sofort in sie zu verlieben. Sie ist so jung und hübsch. Wie alt bist du, Liebes?«
Zsofi sah ihn lächelnd an, trat aber vorsichtshalber einen Schritt zurück. Für sie war der Bürgermeister ein alter Mann. Er hätte ihr Vater sein können. Sie hätte mitgemacht, wenn sie die Hoffnung gehabt hätte, dass sie dadurch dem Töpferlehrling aufgefallen wäre und ihn eifersüchtig gemacht hätte. Er brauchte zu lange, und sie hatte es langsam satt.
»Ich bin dreiundzwanzig«, erwiderte sie.
Der Bürgermeister stöhnte auf. Er streckte die Hände aus, als wollte er den bösen Blick abwehren. Danach wollte er den ganzen Abend nicht mehr mit ihr sprechen.
Ibolya ließ ihn schmollen, fragte ihn aber tagtäglich, ober mit ihr darüber reden wolle. Sie bestand darauf, ihm nachzuschenken, auch wenn er protestierte. Er bezahlte nur ein Drittel von dem, was er trank. Ibolya hatte nichts dagegen, weil sie an den anderen so gut verdiente. Wenn der Bürgermeister dort sitzen blieb, wo er keinen Schaden anrichten und wo sie ihn im Auge behalten konnte, war sie bereit, die Unkosten zu tragen. Ibolya war klug genug, um zu wissen, dass sie den Bürgermeister nicht ewig halten konnte. Und sie war klug genug, zu erkennen, dass Verän derungen bevorstanden. Aber sie würde dagegen ankämp fen , so lange sie konnte. Sie würde so viel sparen, wie sie nur konnte. Sie musste für sich selbst sorgen.
»Der einzig gute Bürgermeister ist ein betrunkener Bür germeister «, flüsterte sie den anderen zu. Sie stimmten ihr kichernd zu und gaben ihm noch ein paar Bier aus.
***
»Ich hab mir doch gar nichts dabei gedacht!«, verkündete der Bürgermeister schließlich völlig aufgelöst. Nachdem er eine Woche angestupst worden war und er eisern geschwiegen hatte, schlug sein Ausbruch ein wie der Blitz. »Sie ist über mich hergefallen! Wirklich! Ich schwör’s!«
Ibolya goss ihm ein Glas Branntwein ein und lächelte den anderen über seinen Kopf hinweg zu. Die Männer leckten sich die Lippen und stellten sich um ihn herum. Sie tätschelte ihm die Hand.
»Natürlich, mein Liebling. Sie können nichts dafür. Erzählen Sie uns alles ganz genau.«
Der Bürgermeister blickte umher, um sicherzugehen, dass alle Blicke auf ihn gerichtet waren, dann schniefte er in sein Taschentuch.
»Sie hat so einen riesigen Hintern! Ohne diesen Hintern wär ich nie auf die Idee gekommen! Ich war einfach neugierig.«
Die Männer in der Kneipe hatten bis dahin nicht gewusst, mit wem er erwischt worden war. Ihre Frauen sagten es ihnen nicht. Sie wussten nur, dass es, ganz gleich wer es war, ein Debakel war, eine Art Tabu. Sie schauten einander an und dachten an alle Riesenhintern im Dorf.
»Wartet mal«, rief einer schließlich und seine Augen leuchteten auf. »Haben Sie etwa mit der Friseuse aus der Waldstraße rumgemacht?«
»Ja«, sagte der Bürgermeister nickend. »Mit der Lieblingsfriseuse meiner Frau.«
Es gibt nur wenige Augenblicke im Leben – insbesondere in einem Politikerleben –, in denen deutlich wird, welch hohes Ansehen man bei den Leuten genießt. Wenn man gemessen und für würdig erachtet wird, genauer gesagt, für eine Stufe besser. Dies war ein solcher Augenblick. Der Bürgermeister sonnte sich in dem Ansehen, das er bei seinen Wählern genoss. Es war berauschend. Unwillkürlich
Weitere Kostenlose Bücher