Valeron der Barbar
auf die Männer hinter den angelegten Lanzen, wirbelte herum, sauste die Stufen zur Plattform wieder hoch und rannte von dort zu einem der vier Treppenaufgänge, die majestätisch in jeder Ecke des Saales emporführten.
Er schob sein Schwert in die Scheide und blickte sich um. Sonnenstrahlen fielen durch die hohen Bogenfenster. Valeron überlegte nicht lange. Er sprang von der Treppe zu einem Fenster hoch, obwohl er zweifelte, dass er es erreichen würde. Unter dem Fenster hing eine drapierte Fahne mit dem kaiserlichen Wappen. Sein Sprung war tatsächlich zu kurz, aber er bekam die Fahne zu fassen und krallte sich daran fest. Seine Bauchmuskeln wurden zu eisengleichen Bändern, als er sich hochschwang und auf dem Fenstersims zu stehen kam. Nur mit Mühe hielt er sein Gleichgewicht, indem er hastig zur Mittelzacke des kleeförmigen Fensterausschnitts, etwa einen Meter über seinem Kopf, griff. Keuchend blickte er hinunter auf die Bewaffneten. Zu kämpfen wäre sinnlos, denn gegen zwanzig Männer, die auf sein Blut aus waren – und er noch dazu ohne Rüstung – hatte er keine Chance. Ihm blieb nur die Flucht, um seine eigenen Männer zu erreichen. Diese Gedanken schossen ihm durch den Kopf, während er finster auf die Janitscharen unter ihm starrte. Da sirrte ein Pfeil von außen an seinem Ohr vorbei.
Sich am Fensterrahmen festhaltend, drehte er sich um. Aus dem weit und breit berühmten kaiserlichen Lustgarten spitzten Helme und Bogen hinter jeder Hecke auf. Die seegrünen Helmkämme der Palastwache hoben sich über die farbenfrohen Blumen. Ein zweiter Pfeil bohrte sich in seinen Umhang und riss ihn fast rückwärts vom Sims. Valeron zerrte den in liebevoller Arbeit entstandenen Umhang aus roter Seide von den Schultern und wand ihn sich als Schild um den linken Arm.
Nein, von hier gab es keine Fluchtmöglichkeit. Darcus Cannu hatte seine Falle gut vorbereitet. Branar! Wie viele Männer hat dieser Sohn Kroys sich gekauft?
Wie die Augen eines von wilden Hunden gestellten Tieres sahen seine sich um. Und wie ein solches Tier war er doppelt und dreimal so gefährlich als sonst. Vorsicht gab es keine mehr für ihn, nur noch tollkühnen unvorstellbaren, aus der Hoffnungslosigkeit seiner Lage geborenen Mut. Zischend flog sein Schwert aus der Scheide und durchtrennte die Goldkordeln, die die Falten der seegrünen Vorhänge zusammenhielten. Er fasste nach dem schweren Tuch und stieß sich mit beiden Füßen vom Fenstersims ab. Über die Köpfe seiner Feinde segelte er hinweg. Fluchend und wütend starrten sie zu ihm hoch. Gewiss erwartete keiner, dass er mitten im Flug den Vorhang losließ, die Knie anzog, um sich wie ein Geschoß durch die Luft zu schnellen. Er landete zwischen zwei Karyatiden und glitt und rollte noch ein Stück über den Boden. Der Schmerz in seinem Ellbogen, auf dem er aufgeprallt war, lähmte kurz den ganzen Arm.
Die weiblichen Säulengestalten trugen eine Galerie um drei Seiten des Thronsaals. Valeron kam auf die Füße und sprintete erneut zu einem der vier Treppenaufgänge. An zwei Gardisten, die ihm von zwei Seiten entgegenliefen, rannte er vorbei. Einer warf ihm ein Schwert nach. Es landete auf einer Stufe hinter ihm, als er die Treppe zur Galerie hochschoss. Kurz stützte er sich auf die hölzerne Brüstung und holte keuchend Atem, während er zu den wütend zu ihm hochstarrenden Gesichtern hinunterblickte.
Die Marmorfrauen schauten mit ihm hinunter, doch ihre Miene blieb gleichmütig. Sie hatten ihr eigenes Problem: die Galerie und die goldene Decke zu stützen. Niemand half ihnen dabei, und auch sie boten niemandem ihre Hilfe an. Der Mann mit dem zerzausten Schwarzbart, den Cannu Alerku genannt hatte, brüllte und deutete mit der Schwertspitze. Die Gardisten legten ihre Lanzen ab und griffen nach ihren Schwertern. Sie teilten sich in zwei Trupps, um von verschiedenen Treppenaufgängen an ihn heranzukommen.
Ein Fehler, dachte Valeron, den man nutzen muss.
Als sie die ihnen am nächsten liegende Treppe hochstürmten, war der Barbar bereits dort und erwartete sie schon. Die Tatsache, dass sie nun nur mit Schwertern und nicht mehr mit den längeren Lanzen bewaffnet waren, lieferte sie seiner eigenen, von Meisterhand geschmiedeten Klinge aus. Vor allem, weil er den Fehler begangen hatte, hier selbst in die Falle zu gehen, kannte er nun kein Erbarmen. Kein einziger würde an ihm vorbeikommen.
Wie ein Berserker schwang er das Schwert, und mitten in der Bewegung drehte er das Handgelenk
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