Valeron der Barbar
Fenster, nur eine schwere Gittertür. Als er sich an die Wand lehnte, zuckte er zurück, denn die rauen Steine waren eisig.
Er blickte sich um. Es gab nicht das geringste Mobiliar. Fauliges feuchtes Stroh diente als Lager und stach unangenehm in Hintern und Schenkel. Mit einer schmerzhaften Grimasse strengte er seinen Verstand an.
Der größte Kämpfer, der beste Herrscher seit einem Jahrhundert – war tot. Gemeuchelt von einem hinterlistigen Feigling ohne Verständnis für das Waffenspiel, mit einer hohen Stirn, über die spärliches Haar hing, einem Wieselgesicht und viel zu kleinen Augen. Früher war das Gesicht angespannt gewesen, zu nachdenklichen Schlitzen zusammengekniffen – aber jetzt sah Valeron es aus anderer Sicht, und es hatte sich auch wirklich verändert. Valerons respektvolle Abneigung gegen Darcus Cannu hatte sich zu Hass und Abscheu gewandelt.
Nein, dachte er widerwillig. Ein Feigling ist er nicht.
Verräter und Mörder, ja, das war Darcus Cannu; doch kein Feigling würde den Fuß auf den gefährlichen Pfad setzen, den er nun beschritten hatte. »Schurke!« stieß Valeron laut hervor, und das Wort pochte heftig in seinem Kopf wider. Velquen hatte seinem langjährigen Ratgeber und Premierminister vertraut, mehr als sonst einem. Und dieses Vertrauen hatte der hohnlachende Teufel mit Mord belohnt – und die Leiche präpariert, um Valeron die Schuld in die Schuhe zu schieben!
Bei der Erinnerung an die bestochenen Palastwachen hieb er wütend die Handflächen an die Wand.
Was jetzt? Was tat sich, während er in diesem schmutzigen dunklen Loch mit seinen unversorgten Wunden schmachtete? Was hatte Darcus Cannu vor? Beanspruchte er den Thron für sich?
Wie? Der Kaiserthron war nun hereditär – nicht mehr der Preis des Stärkeren –, allerdings mussten die fünf Könige mit dem jeweiligen Erbberechtigten einverstanden sein. Nach ihres Vaters Tod fiel der Thron an Aleysha. Gekrönt oder nicht, sie war inzwischen bereits Kaiserin. Der Premierminister? Er musste schon Glück haben, wenn er seinen Kopf behalten wollte! Darcus Cannu, erinnerte sich Valeron plötzlich, war reich. An Mitteln hatte es ihm also nicht gefehlt, die Palastwache zu bezahlen.
Aber bei den Göttern, er konnte nicht die gesamte Armee bestechen – und die fünf Könige, damit sie ihn als Kaiser bestätigten.
Oder doch?
Nein, natürlich nicht! Die Armeen der fünf Könige würden … Da ging Valeron car Nadh ein Licht auf. Er schüttelte den Kopf, als könne er damit den Gedanken verdrängen. Darcus Cannu beabsichtigte Aleysha zu lenken, entweder als Vormund oder als – Gemahl!
Und der Kriegslord von Branarius? Was hatte er zu erwarten? Heimlich ermordet zu werden? Ein Leben lang in diesem Loch eingesperrt zu bleiben? Eine Möglichkeit zum ehrbaren Freitod? Oder würde man ihn den ergrimmten Carmeianern zur Hinrichtung überlassen? Nein, eher würde er vor das Gericht des Rates der Könige gestellt werden.
Er malte sich die Szene aus: die fünf Könige würden ihn mit strengen, ja finsteren Mienen betrachten. Der hochverehrte Protektor des Thrones, der doppelten Respektes würdige Ratgeber Velquens und neuer, dreifach vertrauenswerter Ratgeber-Protektor seiner bedauernswerten verwaisten Tochter: der große Darcus Cannu, würde sich vor ihn stellen, und ihn, den verkommenen, in Ketten gelegten, schmutzigen, stoppelbärtigen, filzhaarigen Barbaren anklagen. Und die Anklage würde auf Verrat und Mord lauten: Kaisermord!
Velquen hatte Darcus in den Adelstand erhoben und ihm ein Wappen gewährt. Vielleicht würde er sich einen neuen Titel dazufügen: PROTEKTOR DES REICHES, möglicherweise.
Konnten die Branarier ihn retten? Saldon?
Nein, es bestand keine Hoffnung, dass sie sich einen Weg in die Stadt erzwingen konnten, und schon gar nicht in dieses Verlies. Ein Befreiungsversuch würde nur zum Tod derer führen, die ihn wagten – und Branarius’ Ausschluss aus dem Rat, wenn nichts Schlimmeres –, und zu seiner umgehenden Ermordung oder Hinrichtung, um ja kein weiteres Risiko einzugehen. Branarius wäre auch nicht imstande, den vereinten Kräften des Reiches Widerstand zu leisten, wenn die Raumfähren von sechs Planeten ihre Krieger auf seiner felsigen Oberfläche ausspuckten.
Valeron fluchte in zwei Sprachen – dann hob er die Stimme und brüllte in die Dunkelheit. »He! Wie wär’s mit ein bisschen Bier hier?«
Sein Schädel pochte schlimmer denn zuvor, als das Echo in dem düsteren Korridor widerhallte und
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