Valley - Tal der Wächter
Fall verstecken? Hm... An Hords Stelle wäre er bis zum alten Wald geritten und hätte dort die Pferde angebunden. Dann abseits der Straße querfeldein bis... Wo käme man da heraus?Vermutlich nordöstlich vom Haus, ein Stück oberhalb des Obstgartens, in dem Wäldchen mit der kleinen Senke …
Hal schlenderte auf der Mauer entlang und spähte in die wabernden Dunstschwaden.
Ja, ganz weit hinten waren verschwommene graue Bäume zu erahnen …
Hal grinste angespannt. Dort mussten sie sein.
Ihre Späher waren vermutlich ausgeschwärmt, schlichen um das Haus herum und hielten nach Schwachpunkten in der Mauer Ausschau. Sehr gut. Die entsprechenden Stellen dürften sogar bei Nebel gut zu erkennen sein. Wenn alles glattging, zogen die Späher daraus die offenkundigen Schlüsse.
Hal schaute zum Himmel. Es dämmerte schon. Er musste seine Leute auf ihre Posten schicken.
Die abschließende Lagebesprechung in der Halle wurde schwierig, denn je dunkler es wurde, desto mehr stieg die Spannung, und alle waren mit den Nerven am Ende. Alle scharten sich um die Tische, an denen Gudny, Katla und weitere Frauen das Essen austeilten. Snorri half Katla und zwinkerte ihr bei jeder Gelegenheit so verschmitzt zu, dass sie rot wurde und kichern musste. Auch Aud half mit und teilte mit gesenktem Blick Eintopf aus. Hal wunderte sich über ihre Zurückhaltung, die so gar nicht ihre Art war. Am liebsten hätte er sie darauf angesprochen, aber dafür war jetzt keine Zeit. Darum sah er woandershin und versuchte, nicht mehr an sie zu denken.
Dann stieg er aufs Podest. Als Erstes ordnete er an, das Bierfass, das Leif angezapft hatte, wieder wegzuräumen. »Morgen früh ist noch genug Zeit zum Feiern«, übertönte er den lautstarken Protest der Versammelten. »Ihr könnt darauf wetten, dass Hord sich jetzt auch nicht betrinkt.«
Als der Suppenkessel leer war und alle sich wieder beruhigt hatten, hob Hal die Arme, wie er es oft bei seinem Vater gesehen hatte. »Leute von Svens Haus«, begann er, »wir müssen jetzt alle auf unsere Posten. Es wird bald dunkel. Ich glaube nicht, dass Hord etwas unternimmt, bevor es Nacht ist, aber wir sollten mit allem rechnen. Mütter und kleine Kinder sowie die Kranken und Schwachen bleiben bei Gudny hier in der Halle, die Türen werden verriegelt, sobald die Männer draußen sind. Trinkt bitte nicht das ganze Bier aus, während wir kämpfen – wir brauchen eine Stärkung, wenn wir wiederkommen!« Trotz der Totenstille lachte er munter und klatschte in die Hände, als riefe er alle zu einem Festessen. »Unsere noch ungeborenen Söhne und Töchter werden später von dieser siegreichen Nacht erzählen! Die Witwen von Hakons Haus dagegen werden sie verfluchen! Kommt, Freunde, gehen wir.«
Damit sprang Hal so schwungvoll vom Podest, dass ihm beim Landen die Zähne aufeinanderschlugen, strich sich das Haar aus dem Gesicht und marschierte zur Tür hinaus. Die Versammelten teilten sich auf. Wer das Haus verteidigen konnte, folgte Hal. Das waren die gesunden, kräftigen Männer, die Halbwüchsigen und auch ein paar Jungen. Die Frauen und Kleinkinder standen beieinander und schauten ihnen nach. Neben der Tür wimmerte ein Säugling.
Inzwischen waren der Nebel undurchdringlich und die Luft eiskalt. Der Feuerschein aus der Schmiede und die Laternen in den Fenstern der niedrigen Häuser leuchteten heller als das abnehmende Tageslicht. Die feuchte Luft roch nach Erde, es herrschte gespannte Stille.
Die Verteidiger versammelten sich im Hof, hinter ihnen wurde die Flügeltür zur Halle geschlossen. Sie hörten, wie der Riegel vorgelegt wurde.
»Jeder geht auf seinen Posten«, sagte Hal. »Du auch, Leif. Ich mache gleich die Runde und schaue nach, ob alles in Ordnung ist.«
Schemenhafte Gestalten liefen auseinander und verschwanden in alle Richtungen. Niemand redete, alle dämpften ihre Schritte. Hal wartete noch einen Augenblick ab. Er sah zu dem schwachen Licht hinüber, das hinter den Fensterläden an der Seitenwand der Halle schimmerte. Das Zimmer seiner Eltern …
Wenn alles vorbei war, würde er seinem Vater von dem Sieg erzählen, den er für ihn erkämpft hatte. Hinterher, wenn alles wieder gut war …
Hal musste lachen. Die Wahrscheinlichkeit, dass nach dieser Nacht sowohl er als auch sein Vater noch am Leben waren, erschien ihm mehr als gering.
Der Hof war jetzt leer, das Haus umgab tiefes Schweigen. Hal nahm eine der flackernden Laternen, die auf der Veranda bereitstanden. Daneben lagen die paar
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