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Valley - Tal der Wächter

Titel: Valley - Tal der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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sagte er zu seiner Mutter. »Jetzt bin ich wieder da.«
    Die Männer, die Arnkel hinter den Mördern herschickte, waren vor Einbruch der Dunkelheit wieder zurück, staubbedeckt und verzagt. Sie waren im Galopp bis zu den Wasserfällen geritten, aber die Pferde aus dem Untertal waren wendig und flink, und die Hakonssons hatten den Eckzahn längst passiert. Daraufhin wurde Arnkel so zornig, dass ihm Schaum vor den Mund trat. Er schleuderte eine Tischplatte gegen die Wand, er nahm das Messer, das seinen Bruder getötet hatte, und stieß es sich selbst in die Hand, in dieselbe Hand, die er Brodirs Mördern zur Begrüßung gereicht hatte. Sogar Astrid ergriff die Flucht und Arnkel blieb die ganze Nacht allein in der Halle sitzen.
    Ein neuer Morgen brach an. Heller Sonnenschein fiel durch Hals Fenster und auf seine Überdecke. Es roch nach frischer Luft und wilden Blumen.Als Hal aus tiefem Schlaf erwachte, blieb er erst einmal ganz still liegen und betrachtete die dreieckigen Lichtflecken auf der grob verputzten Wand, die schwarzen Deckenbalken und die alte Katla, die schnarchend in ihrem Sessel in der Ecke saß. Als er sich rührte, tat ihm die Schulter weh, aber die Breiumschläge seiner Amme taten den verletzten Muskeln gut, und er konnte den gezerrten Arm schon wieder bewegen.
    Er erinnerte sich nur bruchstückhaft an die Geschehnisse des gestrigen Tages – an Entsetzen, Schmerzen und Qual. Er hatte Alarm geschlagen und die anderen geweckt, und dann... was hatte er dann getan? Eigentlich so gut wie nichts. Er hatte einfach dagestanden, während es im Haus lebendig wurde. Er war nur ein Zuschauer gewesen, um den sich außer Katla kein Mensch gekümmert hatte. Diese hatte ihn betüttelt, verarztet und schließlich ins Bett gesteckt.
    Aber mit der Untätigkeit war nun Schluss! Hal stand auf, zog sich unbeholfen an, wobei er bei manchen Bewegungen die Zähne zusammenbeißen musste, und ging in die große Halle. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, aber über dem Haus lastete bedrückendes Schweigen. Sein Vater saß mit auf die Brust gesunkenem Kinn auf dem Richterstuhl. Seine verletzte Hand war schwarz von getrocknetem Blut. Er hatte sie nicht verbunden. Er trug seinen festlichen Mantel, aber der schwarzsilberne Stoff war zerknittert. Neben ihm stand Hals Mutter und flüsterte ihrem Mann etwas ins Ohr.
    Nur wenige Bedienstete hantierten in den Winkeln der Halle, wo sie Blumengebinde für BrodirsTotenwache fertigten, aber niemand wagte es, sich Arnkel zu nähern.
    Hal ging schnurstracks auf ihn zu. »Gib mir ein Schwert, Vater!«
    Arnkel hob nicht einmal den Kopf. Nach einer Weile fragte er leise und in ruhigem Ton: »Wozu?«
    »Ist doch klar. Ich will meinen Onkel rächen.«
    Arnkel schwieg lange, dann anwortete er: »Wir haben keine Schwerter mehr, mein Sohn. Die sind alle längst eingeschmolzen. Bis auf jene, die unsere Ahnen droben auf dem Hügel in den Händen halten.«
    »Grim kann mir doch eine Klinge schmieden.«
    »Natürlich, Grim hat ja auch sonst nichts zu tun!«, entgegnete seine Mutter aufgebracht und mit so schriller Stimme, dass alle jäh in ihren Tätigkeiten innehielten. »Er schmiedet gerade das Schwert, das Brodir in seinen Grabhügel mitnimmt, um den anderen Verstorbenen dabei zu helfen, die Trolde fernzuhalten. Du weißt ganz genau, dass wir Lebenden keine Schwerter besitzen dürfen. Der Rat hat es verboten, und das ist gut so, denn nur der Rat kann diese Angelegenheit friedlich und zu unserer Genugtuung regeln. Ich will kein Wort mehr von Rache hören, du dummer Junge.«
    Hal zuckte die Achseln. »Jeder weiß, dass du Brodir nicht leiden konntest, Mutter. Wie sieht es mit dir aus,Vater? Du teilst doch meinen Zorn und Kummer.«
    Daraufhin kam Bewegung in Arnkel. Er setzte sich gerade hin. »Sprich nicht in diesem Ton mit deiner Mutter, Hal, sonst versohl ich dir auf der Stelle den Hintern.« Er zupfte an seiner Nase und blickte zum Kaminfeuer hinüber. »Und sei so gut und sprich nie mehr in meiner Gegenwart von Rache, Schwertern oder der Ehre von Svens Haus. Deine Beweggründe sind ehrenwert – ich kann sie nachvollziehen. Ich empfinde genauso! Wir alle empfinden so.« (Hier schnaubte Hals Mutter abfällig.) »Du hast getan, was in deiner Macht stand, und hast großen Mut bewiesen. Du kannst nichts dafür, dass du kein Krieger bist. Da die schlimme Tat aber nun einmal geschehen ist« – er holte tief Luft -, »bleibt uns nichts anderes übrig, als uns um eine Schlichtung der Feindseligkeiten zu

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