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Valley - Tal der Wächter

Titel: Valley - Tal der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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kümmern. Deine Mutter hat ganz recht. Die alten Bräuche führen nur zu Streitereien und noch mehr Hügelgräbern. Das möchte niemand.«
    »Brodir war ein Anhänger der alten Sitten und Gebräuche«, warf Astrid ein, »und er hat versucht, danach zu leben. Und was hat es ihm eingebracht? Er liegt unter einem weißen Laken und ihn erwartet nichts als ein kaltes Grab.« Sie lächelte ihrem Sohn flüchtig zu. »Ach, Hal, ich weiß, du hast seine Geschichten gemocht, ja du hast Brodir sogar bewundert. Aber er hing einem altmodischen Ehrbegriff an. Der gilt für uns nicht mehr. Sobald als möglich setzen sich die Schiedsherren aller zwölf Familien zusammen. Ulfar Arnesson reitet noch heute los, um die Familien im Untertal zu verständigen, Leif übernimmt das Mitteltal, sodass hoffentlich noch vor dem Winter ein Ratstreffen stattfinden kann. Dort kannst du alles bezeugen, was du mit angesehen hast. Dort wird ein Urteil gefällt. Und du bist der Hauptzeuge, Hal, stell dir vor! Das ist eine sehr wichtige Rolle für jemanden, der noch so jung ist.«
    »Und was passiert dann mit den Hakonssons?«, fragte Hal unbeeindruckt.
    »Sie werden verurteilt und müssen uns eine hohe Entschädigung zahlen.«
    »Du meinst... Land? Ist das alles? Sie müssen uns ein Stück Land abtreten?«
    »Land ist nicht zu verachten, mein Sohn. Ohne Land kein Wohlstand.«
    Arnkel Svensson saß da und starrte ins Feuer, ein hagerer, alternder Mann. Sehr leise, als führte er Selbstgespräche, sagte er: »Eine Schlichtung ist die einzige Lösung, und selbst dabei müssen wir uns womöglich mit weniger zufriedengeben, als wir gern hätten. Die Hakonssons sind eine mächtige und einflussreiche Familie.«
    »Wir haben selbst schon einmal viel Land durch eine Schlichtung eingebüßt«, erwiderte Astrid spitz. »Diesmal fällt der Schiedsspruch wenigstens zu unseren Gunsten aus. Ah, da kommt Leif. Er ist schon reisefertig!«
    Leif trug seinen Reisemantel und hatte seinen Bart frisch gestutzt. Mit einem Satz war er auf dem Podest, wo er mit seinen Eltern besprach, in welcher Reihenfolge er die benachbarten Höfe abreiten sollte. Er war richtig aufgekratzt und konnte es kaum erwarten aufzubrechen. Der Anlass seiner Reise schien ihn nicht sonderlich zu betrüben.
    Astrid tätschelte ihrem Ältesten zärtlich den Arm. »Stattlich siehst du aus, mein Sohn! Ein würdiger Abgesandter unseres Hauses. Findest du nicht auch, Hal?«
    Aber Hal war längst hinausgegangen.

    Im Korridor hinter dem Vorhang verlangsamte er seine Schritte, blieb schließlich schwer atmend stehen und versuchte, seinen Zorn zu bezähmen.
    »Hal!«
    Aud stand in der Tür zum Gästezimmer. Es wäre gelogen zu behaupten, Hal hätte ihre Anwesenheit vergessen, aber die jüngsten Ereignisse hatten das Mädchen ein wenig in den Hintergrund rücken lassen. Sie war schon halb in Reisekleidung und frisierte sich offenbar gerade, denn aus ihrem Mund ragten zwei Haarnadeln.
    Dem immer noch aufgewühlten Hal fiel es schwer, unvermittelt eine harmlose Unterhaltung anzufangen. »Tag«, sagte er.
    »Das mit deinem Onkel tut mir sehr leid.« Aud betastete ihren Hinterkopf. Die Haarnadeln in ihrem Mund hüpften und bebten, als sie sprach.
    »Danke.«
    »Diese elenden Hakonssons. Die nehmen auf niemanden Rücksicht.Aber es ist das erste Mal, dass sie jemanden einfach so umgebracht haben – ich meine, einen freien Mann, einen Angehörigen eines anderen Hauses. Ihre eigenen Leute bringen sie wahrscheinlich andauernd um.Was hatte ihnen dein Onkel denn getan?«
    Hal verzog keine Miene. »Nichts. Er war betrunken.«
    »Ist mir auch aufgefallen. Trotzdem, das ist doch kein Grund. Ihr könnt froh sein, dass die Hakonssons nicht eure Nachbarn sind, sondern unsere. Sie versetzen andauernd die Grenzpfosten zu ihrem Vorteil und mein Vater unternimmt natürlich nichts dagegen, der katzbuckelt bloß vor ihnen und küsst den Boden unter ihren Füßen. Jetzt steckt er allerdings in der Klemme. Seine Cousine Astrid und sein Nachbar Hord Hakonsson befinden sich im Streit miteinander... da muss er vorsichtig sein, wenn er zwischen ihnen vermitteln soll. Andererseits ist Vater sowieso bei allem übervorsichtig. Gibt’s heutzutage überhaupt noch irgendwen, der ab und zu unvorsichtig ist?« Sie nahm geschickt die Nadeln aus dem Mund und steckte sie in ihren Haarknoten. »Mist, daneben... Nein, doch richtig... Wir reiten heim und verständigen unterwegs die Schiedsleute.«
    »Weiß ich. Haben mir meine Eltern grade erzählt.

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