Vamperl 02 - Ohne Vamperl geht es nicht
fragte der Professor schließlich leise.
Hannes wiegte den Kopf hin und her. Frau Lizzimachte ein strenges Gesicht und brummte: »Das weiß ich schon lange.«
»Sagen Sie das meiner Lehrerin! Oder meiner Mutter.«
»Später«, sagte Frau Lizzi. »Jetzt spielen wir Mensch-ärgere-dich-nicht.«
»Gute Idee«, sagte Hannes. »Oder Mikado. Da verlieren wir wieder.«
»Wollen Sie sich wirklich ärgern?«, fragte der Professor. »Es gibt ohnehin viel zu viele Dinge auf der Welt, über die man sich ärgern muss.«
Frau Lizzi stand auf und holte die Spieleschachtel aus der Lade. »Eben deshalb will ich spielen! Es ist schon erstaunlich, dass gerade besonders kluge Leute manchmal so grottendumm sein können.«
Hannes grinste. »Das heißt grottenschlecht, nicht grottendumm.«
»Grottenschlecht ist er aber nicht, nur grottendumm. Und urlieb.« Sie war sehr mit sich zufrieden.Sie lernte nicht nur Englischvokabeln mit Hannes, fand sie.
Der Professor raufte sich die Haare und verstand nicht, dass sie ihm soeben eine Liebeserklärung gemacht hatte. Aber das war sein Problem, nicht ihres.
Frau Lizzi hatte schon alle vier Steine auf dem Brett, bevor der Professor seinen ersten Sechser würfelte.«
»Na endlich«, sagte sie.
Ein Purzel ist ein Purzel
Erst am nächsten Freitag keuchte der Briefträger in den zweiten Stock und brachte Frau Lizzi eine total zerknüllte Karte. Sie fiel dem Mann um den Hals und fing an zu weinen.
Er klopfte ihren Rücken und brummelte beruhigend. »Na, na, was ist denn, was haben Sie denn, ist schon wieder gut, setzen Sie sich doch, wollen Sie ein Glas Wasser?«
Frau Lizzi schüttelte den Kopf und entschuldigte sich immer wieder. »Tut mir leid! Sie müssen ja glauben, die Alte ist verrückt geworden …«
»Aber Frau Lizzi, wir kennen uns doch schon seit mehr als dreißig Jahren …«
»Eben«, sagte sie. »Eben. Darum möchte ich es Ihnen ja erklären. Es war nur … also ich hab mir Sorgen gemacht, dass mein Vamperl in Schwierigkeiten ist, verstehen Sie, und dass ich nichts für ihn tun kann. Ich will ja nur wissen, dass esihm gut geht, mehr brauch ich nicht. Manchmal wache ich auf mitten in der Nacht und glaub, ich hör ihn fiepen.«
»Ja«, sagte der Briefträger. »Mein Bub, der Kevin, ist auch seit sechs Wochen unterwegs und ich höre nichts von ihm. Meine Schwester behauptet zwar immer, wenn wir nichts hören, geht es ihm gut, und schlechte Nachrichten kommenohnehin zu früh, sagt sie, aber mich macht’s krank.«
Frau Lizzi stellte die Espressomaschine auf den Herd. »So viel Zeit haben Sie doch?«
»Eigentlich nicht«, sagte er, setzte sich aber im selben Augenblick und streckte die Beine weit von sich. »Können Sie sich vorstellen, wie das ist, allen Leuten Briefe zu bringen, treppauf, treppab, und nur für mich gibt’s keine Post?«
Frau Lizzi nickte und schnitt ein Stück vom Apfelkuchen ab. Während der Kaffee blubberte, setzte sie die Brille auf und nahm die Karte in die Hand. Beinahe jedes Wort war zweimal durchgestrichen. »So ein Geschmiere! Das kann doch kein Mensch lesen.« Sie hielt dem Briefträger die Karte hin. »Glauben Sie, das soll ›Zwillinge‹ heißen?«
Nach längerem Studium meinte er: »Ich glaube, Sie haben recht. Aber es muss nicht sein. Eindeutig ist nur ›ling‹. Könnte ja auch ein Engerling sein. Schmetterling eher nicht.«
»Eher nicht«, bestätigte Frau Lizzi.
Klar und deutlich stand da viermal »wir«, auch »und« war ohne Schwierigkeiten zu lesen. Eine große Hilfe war das allerdings nicht.
»Und gerade heute muss der Professor zum Zahnarzt«, sagte Frau Lizzi. »Wenn man die Leute braucht, sind sie nicht da.«
Der Briefträger war ganz ihrer Meinung. »So ist das Leben. Da kann man gar nichts machen.« Er trank seinen Kaffee aus, sammelte die letzten Brösel vom Teller, bedankte sich und ging.
Purzel war die ganze Zeit völlig reglos auf der Vorhangstange gesessen. Jetzt stürzte er sich auf die Karte, drehte sie hin und her und fiepte ärgerlich.
Als Hannes aus der Schule kam, war die Karte so zerknittert, dass Frau Lizzi sie in der Hand zerknüllte und in die Ecke feuerte.
Purzel flitzte vom Vorhang zur Tür, kreiste umdie Lampe, trommelte an die Fensterscheiben. Seine Krallen machten dabei ein Geräusch, das Frau Lizzi in den Ohren wehtat.
»Gehen wir ein bisschen spazieren«, schlug sie vor. »Es ist ja nicht auszuhalten in der Wohnung. So eine Unruhe!«
Purzel machte einen Handstand auf der Gardinenstange. Er
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